Gebäudeenergiegesetz: Politischer Deal statt souveräner Klimapolitik

Koalitionsfriede vor Klimaschutz: Gefahr für Klimaschutzziele und Freiheitsrechte junger Menschen / Parlamentarische Beratungen der Gesetze zu Gebäudeenergie und Kommunaler Wärmeplanung müssen für schnelle Emissionsminderungen genutzt werden – neue sozial gerechte Förderanreize als Game-Changer

Berlin (14. Juni 2023). Zur gestrigen Einigung der Ampelfraktionen über Leitplanken für die parlamentarische Beratung des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) erklärt Christoph Bals, Politischer Geschäftsführer der Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch: „Eine Koalitionskrise scheint abgewendet, aber das Risiko einer eskalierenden Klimakrise wird durch solches Handeln verstärkt. Das Bundesverfassungsgericht ist in seinem Klimabeschluss eindeutig: Klimamaßnahmen dürfen nicht einseitig zu Lasten der Freiheitsrechte jüngerer Generationen in die Zukunft verschoben werden. Genau das tut aber die gestrige Einigung. Statt einen klaren Fahrplan zum Erreichen der Klimaziele für 2030, 2040 und 2045 im Gebäudesektor zu schaffen, verschiebt sie das Handeln im Gebäudebestand um Jahre und lässt den Einbau von Gasheizungen zunächst noch zu. Die Geschwindigkeit der Emissionsreduktion bleibt offen.“

„Wie im Verkehrssektor drohen nun auch im Gebäudebereich weitere Jahre des Stillstandes und das Erreichen der Emissionsminderungsziele für 2030 rückt in weite Ferne. Das von Klara Geywitz und Robert Habeck im Juli 2022 vorgelegte Gebäudesofortprogramm, schon damals vom Expertenrat für Klimafragen als unzureichend gerügt, wird durch die gestrige Entscheidung vollkommen entkernt.

„Die Entscheidung, dass beim Heizen ein Weiter so erst mit Gas und später mit Wasserstoff möglich sein soll, droht für die Menschen durch massiv steigende CO2-Preise und teurem weil knappen Wasserstoff zur Kostenfalle zu werden“, sagt Bals. „Das parlamentarische Verfahren zum GEG und zur kommunalen Wärmeplanung muss nun genutzt werden, um die offenen Fragen des gestrigen Beschlusses im Sinne von Klimaschutz und sozialer Gerechtigkeit zu beantworten. Zwingend ist erstens, nun die Unabhängigkeit der kommunalen Wärmeplanung sicherzustellen, da viele Stadtwerke ein wirtschaftliches Eigeninteresse haben. Um Menschen vor Fehlinvestitionen zu schützen, muss zweitens geklärt werden, was mit in den kommenden Jahren neu gebauten Gasheizungen passieren wird, wenn der Gasnetzbetreiber keine Transformation zu grünem Wasserstoff plant. Drittens besteht jetzt die Chance, durch eine intelligente Förderkulisse sowohl den Ausbau von erneuerbaren Wärmenetzen schnell zu ermöglichen als auch Menschen mit wenig Geld eine wärmepumpentaugliche Teilsanierung und den Einbau einer Wärmepumpe zu ermöglichen. Das erfordert zum einen, die gestern beschlossene soziale Ausrichtung der Förderprogramme ernst zu nehmen und auf das Prinzip Gießkanne zu verzichten. Und zum anderen, durch die bessere Nutzung von Energieeinspar-Contracting mit zinsvergünstigten Bausparkrediten die Investitionen auch für Menschen sozialverträglich zu ermöglichen, die sonst nicht das Geld dafür hätten, “ so Bals.

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Menschen vor Profit: Beschäftigung fördern – Bankprofite reduzieren!

Pressemitteilung
Attac Deutschland
Frankfurt am Main, 14. Juni 2023

Attac fordert sozial-ökologische Transformation der Geldpolitik der EZB

Anlässlich der am 15. Juni anstehenden geldpolitischen Sitzung der Europäischen Zentralbank (EZB), bei der eine erneute Zinserhöhung diskutiert und entschieden werden soll, erneuert das globalisierungskritische Netzwerk Attac seine Kritik an der EZB.

„Die aktuelle Geldpolitik der EZB ist einfallslos und aus der Zeit gefallen. Nicht das Einkommen der Arbeitenden muss weiter beschnitten, sondern die Profite der Reichen reduziert werden! Die Geldpolitik muss sich umkehren. Dazu ist als erster Schritt auf eine weitere Zinserhöhung zu verzichten und der Einlagenzinssatz schrittweise auf null abzusenken“, erklärt Alfred Eibl von der bundesweiten Attac-Arbeitsgruppe Finanzmärkte und Steuern.

Um die Inflation zu bekämpfen ist es die erklärte Absicht der EZB, mit Zinssteigerungen und der daraus folgenden steigenden Kreditbelastung und verminderten Investitionskraft von Unternehmen Betriebsschließungen und Entlassungen hinzunehmen. Damit soll auch erreicht werden, dass dadurch geschwächte Gewerkschaften Lohnerhöhungen zum Ausgleich von Preissteigerungen nicht mehr durchsetzen können. Dies sollte dann, so die darauf aufbauende Hoffnung der EZB, durch den Kaufkraftschwund der Arbeitnehmer*innen zu stabilen Preisen führen.

Gleichzeitig wurde und wird mit den Zinssteigerungen für Kredite auch der Einlagenzinssatz der Zentralbank angehoben. Durch die hohen Einlagen der Banken bei der Zentralbank als Folge der großen Geldvermehrung der letzten Jahre subventioniert gegenwärtig die Zentralbank die Banken im Euro-Währungsgebiet mit über 100 Milliarden Euro im Jahr.

„Bewusst Einkommensverluste und Arbeitslosigkeit bei Menschen herbeizuführen, die Tag für Tag hart arbeiten, um die gestiegenen Kosten für Lebenshaltung, Energie und Nahrungsmittel aufzubringen, und gleichzeitig die Banken mit Milliardenbeträgen zu subventionieren, um die Profite aus Geldanlagen zu sichern, ist schlichtweg zynisch. Damit soll die gesamte Last des Kampfes gegen die Inflation und Teuerungen, die vom Anstieg der Importpreise getrieben wurden, von den Reallöhnen der Arbeiter*innen getragen werden. Währenddessen werden die vielfach extremen Steigerungen der Gewinnspannen für Unternehmen einfach toleriert – das ist ein Skandal“, ergänzt Eibl.

Attac kritisiert, dass die bisherige Geldpolitik angesichts der tatsächlichen Ursachen der Preissteigungen für höhere Arbeitslosigkeit sorgt. Um die dringend notwendige sozial-ökologische Transformation hin zu nachhaltiger und sozial- sowie klimagerechter Produktion zu ermöglichen, reicht Zinspolitik nicht aus. Staat und Zentralbank sind gefordert, eine Fiskal- und Geldpolitik zu verfolgen, die Gemeinwohl für alle und eine klimaverträgliche Wirtschaft befördern. Dazu ist massive Umverteilung und eine Einschränkung von Verfügungsgewalt über Vermögen notwendig. Nur so kann die Schere zwischen Arm und Reich geschlossen und die Klimakrise überwunden werden.

Für Rückfragen und Interviews:
Alfred Eibl, Attac-Arbeitsgruppe Finanzmärkte und Steuern, alfred.eibl@attac.de, +49 160 9078 0266


Lena Zoll
Pressesprecherin
Attac Deutschland
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Münchener Str. 48, 60329 Frankfurt a.M.
lena.zoll@attac.de
Tel. 0162 3448009




Nachhaltige Wirtschaft setzt ein Zeichen für Klimaschutz

– Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft beteiligt sich am globalen Klimastreik

Berlin, 03.03.23: Der Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft e.V. (BNW) unterstützt auch in diesem Jahr den globalen Klimastreik. Dem Aufruf von Fridays For Future (FFF) folgend, beteiligt sich der BNW und zahlreiche seiner Mitgliedsunternehmen an den heutigen Demonstrationen, um eine ambitionierte Klimaschutzpolitik einzufordern.

„Das Motto des Klimastreiks ‘Tomorrow ist too late’ ist so passend! Wir haben keine Zeit mehr! Lützerath hat gezeigt, dass die Klimabewegung weiterhin einen großen zivilgesellschaftlichen Rückhalt hat. Zusammen mit den Entrepreneurs For Future zeigen wir, dass auch die Wirtschaft weiterhin dabei ist, denn ein toter Planet ist auch schlecht für die Wirtschaft! Deswegen gehen wir heute auf die Straße“, meint Dr. Katharina Reuter, BNW-Geschäftsführerin und Mit-Initiatorin der Entrepreneurs For Future.

Der BNW und die Entrepreneurs For Future, die gemeinsam für mehr als 5.500 Unternehmen stehen, fordern eine Politik, die an den Pariser Klimazielen ausgerichtet ist. Zentrales Instrument der deutschen Klimaschutzpolitik ist das Bundes-Klimaschutzgesetz, das unter anderem Vorgaben und Ziele für einzelne Sektoren definiert. Die Sektoren Gebäude und Verkehr haben die jährlichen Ziele im Jahr 2021 verfehlt.

Für das Jahr 2022 fallen die ersten Schätzungen für beide Sektoren ebenfalls negativ aus. Das Gesetz sieht bei einer Überschreitung der Jahresemissionsmengen in den Sektoren vor, dass das jeweils zuständige Ministerium ein Sofortprogramm zur Einhaltung der Vorgaben für die folgenden Jahre veröffentlicht.

„Die Untätigkeit des Verkehrsministeriums ist verheerend. Wir fordern die konsequente Umsetzung des Klimaschutzgesetzes und sofortige Maßnahmen, die die Einhaltung der Sektorziele im Bereich Verkehr ermöglichen. Die Zeit der ideologischen Grabenkämpfe muss jetzt endlich enden!“ so Reuter weiter.

Die Forderungen des BNW für den Verkehr im Einzelnen:

  • Ein massiver Ausbau der Infrastruktur für emissionsfreie Transportmittel
  • Eine umfangreiche Förderung des ÖPNV
  • Die Abschaffung des Diesel- und Dienstwagenprivilegs
  • Tempolimit auf Autobahnen

Der heutige Klimastreik findet auch in diesem Jahr in zahlreichen Ländern und Städten statt. Er fällt zeitlich kurz vor den nächsten Koalitionsgipfel der Regierungsparteien und soll deshalb auch deutlich machen, dass der Klimawandel trotz multipler Krisenlage einen großen Stellenwert in der Gesellschaft hat.

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Machtwort von Kanzler Scholz in Meseberg nötig: FDP muss Geisterfahrt bei Verkehr beenden

Vor Kabinettsklausur: Germanwatch fordert Ampelkoalition auf, den Ausbau von Autobahnen zu stoppen und sich stattdessen auf Schienenausbau und Sanierungen zu konzentrieren

Berlin (3. März 2023). Vor der am Sonntag beginnenden Kabinettsklausur in Meseberg fordert die Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch die Regierungskoalition auf, im klimapolitisch dramatisch vernachlässigten Verkehrssektor endlich vom Streit- in den Handlungsmodus zu kommen. „Während viele und vor allem junge Menschen heute auch gegen die verfehlte Verkehrspolitik auf die Straße gehen, unterminieren Teile der FDP die im Koalitionsvertrag zugesagte Mobilitätswende. Bundeskanzler Scholz muss ein Machtwort sprechen: Wir brauchen keinen Ausbau von Autobahnen, sondern die Sanierung von Brücken und deutlich mehr als eine Verdoppelung der Investitionen in das Schienennetz“, fordert Christoph Bals, Politischer Geschäftsführer von Germanwatch.

Bals weiter: „Wenn die FDP nicht bereit ist, die für den Fernstraßenneu- und -ausbau vorgesehenen Mittel in die Schiene umzuschichten, wird der Rechtsbruch des Verkehrsministers beim Klimaschutzgesetz über 2030 hinaus verlängert. Die heutige Langfrist-Verkehrsprognose Wissings bestätigt stark den Eindruck, dass der Minister vor der Herausforderung der Verkehrsverlagerung auf die Schiene bereits eingeknickt ist.“

Verkehrsprojekte mit modernen Klimakriterien neu bewerten

Germanwatch fordert den sofortigen Stopp aller Fernstraßenprojekte und eine anschließende Neubewertung, auch nach modernen Klimakriterien. „Die Verkehrsplanung basiert bis jetzt auf zweifelhaften Prognosen und ideologiegeleiteten Kosten-Nutzen-Rechnungen. Alle Projekte sollten mit zeitgemäßen Kriterien überprüft und auf die aktuellen Klimaziele zugeschnitten werden“, so Jacob Rohm, Referent für klimafreundliche Mobilität bei Germanwatch. Gleichzeitig muss der Ausbau der Schiene beschleunigt werden. Rohm: „Ein weiterer Ausbau von Fernstraßen schafft Anreize für noch mehr Verkehr, vor allem bei LKWs. So löst man kein Stau-Problem und kommt erst recht nicht den Klimazielen im Verkehr näher. Autofahrerinnen und -fahrern sowie der Wirtschaft hilft am wirkungsvollsten eine Verlagerung von Güterverkehr auf die Schiene. Seriöse Politik sollte sich dadurch auszeichnen, in Zeiten begrenzter Haushaltsmittel nach klaren Kriterien zu priorisieren.“

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Ergebnisse des G20-Gipfels können Weltklimakonferenz dringend benötigten Rückenwind geben

Germanwatch begrüßt Signale der klimapolitischen Kooperation in geopolitisch schwierigen Zeiten – aber Halbierung der globalen Emissionen bis 2030 wird tatsächliche Bewährungsprobe

Scharm El-Scheich/Bali (16. Nov. 2022). Nach Einschätzung der Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch hat der G20-Gipfel unterstrichen, dass die Klimakrise auch in Zeiten energiepolitischer Turbulenzen und wachsender Polarisierung nicht an Relevanz verliert. Die Ergebnisse des Gipfels können der Weltklimakonferenz in Ägypten dringend benötigten Rückenwind verleihen.

Dazu sagt Christoph Bals, Politischer Geschäftsführer von Germanwatch: „In der angespannten geopolitischen Lage sind die klimapolitischen Ergebnisse von Bali ein dringend notwendiges Signal der größten Treibhausgas-Emittenten. Wir haben einen von allen G20-Mitgliedern getragenen Text, der deutlich macht, dass die großen Volkswirtschaften die großen globalen Herausforderungen wie die Klimakrise gemeinsam angehen wollen.“ Wichtig sei zudem, was am Rande des Gipfels vereinbart wurde. „Die USA und China nehmen ihre Gespräche zum Klimaschutz wieder auf. Das ist ein ganz wichtiges Signal für die internationale Klima-Kooperation. Zudem schürt die Partnerschaft für eine gerechte Energiewende, die Indonesien mit mehreren Industriestaaten geschlossen hat, die Hoffnung, dass mit internationaler Unterstützung die Energiewende in Schwellenländern erheblich beschleunigt werden kann“, betont Bals.

Der klimapolitische Teil des Kommuniqués ist in weiten Teilen eine Bekräftigung bestehender Beschlüsse. „Es ist wichtig, dass die G20 daran festhalten, sich um eine Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5 Grad zu bemühen. An einigen Stellen gibt es auch Verbesserungen: Zum Beispiel bekennen sich erstmals alle G20-Staaten dazu, dass die Zeit der Kohleverstromung ohne CO2-Abscheidung und –speicherung zu Ende gehen soll. Aber die Beschlüsse von Bali sind noch nicht ausreichend, um eine Eskalation der Klimakrise zu verhindern und das 1,5 Grad-Limit einzuhalten. Dazu müssten sich die G20 auf eine Halbierung der globalen Emissionen bis 2030 und einen Ausstieg aus allen fossilen Energien einigen.“

Blockaden bei Verhandlungen könnten nun einfacher aufgelöst werden

Für die derzeit stattfindende Klimakonferenz im ägyptischen Scharm El-Scheich erwartet Germanwatch Rückenwind durch die Ergebnisse des Bali-Gipfels: „Hier in Scharm El-Scheich sind die Verhandlungen bisher viel zu langsam. Das klare Signal der Regierungschefs ist, dass es bei der COP27 ein Ergebnis geben soll, das zu höheren Anstrengungen bei Klimaschutz und Klimaanpassung führt und endlich das Thema der Schäden und Verluste angeht. Dieses Signal kann einige Blockaden bei den Klimaverhandlungen lösen.“

Positiv schätzt Germanwatch überdies einige der G20-Entscheidungen zur Entschuldung und zum Finanzsystem ein. Christoph Bals: „Sowohl bei den G20 als auch bei der COP beobachten wir, dass zunehmend Schwung in die Debatte um die Transformation des globalen Finanzsystems und eine Reform von Weltbank und Internationalem Währungsfonds kommt. Die Aussagen im G20-Kommuniqué zur Entschuldung und zu einfacherer Finanzierung des Klimaschutzes durch die multilateralen Entwicklungsbanken weisen in diese Richtung. An diesen Baustellen müssen in den nächsten Jahren Fortschritte gelingen, damit die weltweite gerechte Transformation zur Klimaneutralität gelingen kann.“

Hinweis für Redaktionen: Germanwatch beobachtet mit einem Team von Expert:innen die COP27 vor Ort. Kontaktvermittlung gern über u.a. Pressekontakte.

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BNW fordert Importsteuer auf russisches Erdgas und Erdöl sowie ein sofortiges Tempolimit auf deutschen Autobahnen

Berlin, 14.04.2022: Der Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft e. V. (BNW) fordert von der Bundesregierung größere Anstrengungen bei der Reduktion von Importen fossiler Energien aus Russland. Der EU-weite Stopp von Kohle-Importen aus Russland sei ein wichtiger Schritt. Nun müssen weitere Maßnahmen folgen, um die Öl- und Gasimporte aus Russland zu reduzieren und zeitnah komplett einzustellen. Ein geeignetes Instrument sieht der Verband in einer Importsteuer auf russisches Erdgas und Erdöl. Zudem fordert der BNW die sofortige Umsetzung von Maßnahmen, um den Ressourcenverbrauch schnell und deutlich zu senken. Darunter fällt die Forderung nach einer sofortigen Umsetzung eines Tempolimits auf Autobahnen und der Abbau steuerlicher Subventionen für Autofahrer:innen.

Im Angesicht des völkerrechtswidrigen russischen Angriffskrieges auf die Ukraine und der Kriegsverbrechen Russlands müssen laut BNW weitere Anstrengungen zur Reduktion von Öl- und Gasimporten aus Russland folgen. Der Verband begrüßt ausdrücklich das Ziel der Bundesregierung, von fossilen Energien aus Russland unabhängig werden zu wollen. Zugleich sind zahlreiche Optionen noch nicht ausgeschöpft.

So macht sich der BNW für eine Importsteuer auf russisches Erdgas und Erdöl stark. BNW-Vorstand Klaus Stähle (Fachanwalt für Arbeitsrecht) dazu: „Statt einem sofortigen Importstopp von russischem Erdgas, der für uns und unsere europäischen Partnerländer schwer kalkulierbare Folgen hätte, möchten wir den an Russland zu entrichtenden Preis und so seine Einnahmen reduzieren.“

Konkret fordert der Verband eine Importsteuer auf russisches Erdgas und Erdöl. Für Erdöl sollte sie sich um jeweils 1/12 eines jeden Monats erhöhen, für Erdgas um jeweils 1/24, bis sie bei Erdöl nach einem Jahr und bei Erdgas nach zwei Jahren 100% erreicht. BNW-Vorstand Jan-Karsten Meier (Unternehmensberater) weiter: „So würde russisches Gas und Öl am Markt bleiben, der Preis aber erhöht und die Einnahmen Russlands de facto sinken.“

Der Wirtschaftsverband schlägt vor, die eingenommenen Importzölle zweckgebunden in den Umbau der Energiewirtschaft und den Ausbau von erneuerbaren Energien zu investieren. Der Verband macht deutlich, dass weder Fracking noch LNG eine Alternative sein darf. Es braucht einen konsequenten Umbau hin zu erneuerbaren Energien, nicht in fossile Energieträger!

Darüber hinaus müssen laut BNW Maßnahmen mit dauerhafter Lenkungswirkung, die die Abhängigkeit von Russland reduzieren und zugleich langfristig positive Effekte für Klima- und Umwelt haben, in den Blick genommen werden. BNW-Vorständin Dr. Antje von Dewitz (Geschäftsführerin VAUDE Sport GmbH & Co. KG) erklärt: „Es ist das Gebot der Stunde, sofort Maßnahmen mit dauerhafter Lenkungswirkung hin zu weniger Ressourcenverbrauch umzusetzen. Weg vom Krisenmodus und Maßnahmen mit kurzfristiger Wirkung, wie beim zeitlich begrenzten 9-Euro-ÖPNV-Ticket oder gar falscher Lenkungswirkung wie der Steuersenkung für Benzin und Diesel.“

Konkret fordert der BNW:

  • Förderung der Energie- und Ressourceneffizienz bei Unternehmen, privaten Verbraucher:innen und der öffentlichen Hand
  • Abbauplan für klimaschädliche Subventionen
  • Abbau steuerlicher Subventionen, die Autofahren attraktiv machen
  • Umsetzung eines sofortigen Tempolimit auf deutschen Autobahnen
  • Dauerhafte Förderung von ÖPNV und grüner Mobilität
  • Überprüfung der Klimawirksamkeit von bestehenden Gesetzen

Zugleich sieht der Verband nicht nur die Politik in der Pflicht. Auch Unternehmen können und müssen ihren Teil dazu beitragen, die Abhängigkeit von Erdgas- und Erdölimporten aus Russland zu reduzieren und zugleich Klima und Umwelt zu helfen. Deswegen ruft der BNW alle Unternehmen dazu auf, folgende Maßnahmen umzusetzen:

  • Umstieg auf echte Ökostrom-Anbieter
  • Konsequente Umsetzung von Energiesparmaßnahmen
  • Raumtemperatur um 1-2 Grad reduzieren; in ungenutzten Räumen die Heizung komplett aus
  • Mobilitätsrichtlinien auf CO2-Ersparnis ausrichten
  • Home-Office weiterhin ermöglichen, sofern es die Arbeitsabläufe zulassen
  • Förderung von Fahrrad/Mitfahrgelegenheiten/ÖPNV für Mitarbeitende
  • Verzicht auf Kurzstreckenflüge

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Osterpaket: Befreiungsschlag für Erneuerbare Energien – doch für echten Klima-Aufbruch müssen noch Schritte folgen

Germanwatch sieht gute Basis für deutlich mehr Tempo beim Ausbau der Erneuerbaren – doch umfassendes Paket im Mai und Sommer muss noch Hürden beseitigen und Problemsektoren Gebäude und Verkehr angehen

Berlin (06. April 2022). Als Befreiungsschlag für die Erneuerbaren Energien bewertet Germanwatch das heute vorgestellte Osterpaket der Bundesregierung – schränkt aber ein, dass für einen echten Klima-Aufbruch noch weitere Schritte folgen müssen. Dies betrifft insbesondere die Energieeffizienz und das Energiesparen. „Das Osterpaket ist trotz einiger Schwächen ein Befreiungsschlag, um das Tempo für den Ausbau Erneuerbarer Energien massiv zu erhöhen“, sagt Christoph Bals, Politischer Geschäftsführer der Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch. „Für das gleichzeitige Erreichen der Ziele beim Klimaschutz und beim schnelleren Ausstieg aus der Gas-Abhängigkeit von Russland und anderen autoritär geführten Staaten benötigen wir allerdings einen ähnlichen Durchbruch bei Energiesparen und Energieeffizienz.“

Germanwatch begrüßt, dass mit dem Osterpaket die Treibhausgasneutralität stärker Eingang in die Stromnetzplanung findet und das deutsche Stromsystem bis 2030 auf 80 bzw. bis 2035 auf fast 100 Prozent Erneuerbare Energien umgestellt wird. Bals: “Die Klimaziele müssen jedoch auch bei der Gasnetzplanung berücksichtigt werden. Das ist derzeit noch nicht gesetzlich geregelt. Für einen noch schnelleren Ausbau der Erneuerbaren Energien sind außerdem weitere Maßnahmen wie eine Solardachpflicht für alle geeigneten Gebäude und eine Regelung für Energy Sharing notwendig. Nicht zuletzt gilt es, den Ausbau der Windenergie auf See mit einem naturschutzfachlichen Monitoring zu begleiten, um bei Bedarf den Ausbau anzupassen.“ Überdies sollte die Planung sowie die Anbindung von Windparks auf See künftig stärker europäisch geplant werden. “Ergänzt werden muss das Paket noch um eine klare und ambitionierte europäische Einbettung”, so Bals. „Die Umsetzung des derzeit verhandelten Fit-For-55-Pakets der EU bietet dazu die Gelegenheit.“

Um Deutschland mit dem notwendigen Dreiklang – Energie und Rohstoffe sparen, Effizienz, Erneuerbare – auf einen Kurs zu einem 1,5 Grad-Pfad zu bringen, sollte die Bundesregierung jetzt mit einem umfangreichen Paket – zum großen Teil schon im Mai – nachlegen. “Im Folgepaket müssen für die Problemsektoren Gebäude und Verkehr stringente Klimaschutzinstrumente gesetzlich fixiert werden und die letzten Hürden für den Erneuerbaren-Turbo aus dem Weg geräumt werden. “Energieverbrauch reduzieren und auf Erneuerbare umstellen” lautet auch hier die Devise. Im Verkehrsbereich bedeutet dies vor allem eine massive Verlagerung von PKW-Verkehr und Kurzstreckenflügen auf die Schiene. Bei Gebäuden sollte das Prinzip „Worst First“ gelten: Um eine beschleunigte Wärmewende weg von fossilen Brennstoffen zu organisieren, muss der älteste Gebäudebestand in Deutschland in Serie saniert und mit Wärmepumpen ausgestattet werden. Dafür brauchen wir auch eine konsequente Ausbildungs-Offensive im Handwerk”, betont Christoph Bals.

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IPCC-Report: Nachhaltige Wirtschaft fordert echte Konsequenz beim Klimaschutz

Berlin, 04.04.22: Der Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft e.V. (BNW) fordert anlässlich der Veröffentlichung des Sachstandsberichts des Weltklimarats IPCC konsequente Maßnahmen zur Bewältigung der Klimakrise. Der dritte Teil des Berichts befasst sich mit den Handlungsoptionen, um die Klimakrise abzuwenden. Dabei wird deutlich: Die Politik muss jetzt schnell alles dafür tun, um Emissionen zu reduzieren.

„Die globale Erderhitzung darf 1,5 Grad Celsius nicht überschreiten. Dafür müssen wir jetzt konsequent und radikal handeln – vor allem wir als Industrieland“, sagt Dr. Katharina Reuter, Geschäftsführerin des BNW. Staaten müssen jetzt drastisch ihre Emissionen senken: allen voran die Industrieländer, die eine besondere historische Verantwortung tragen. „Klimaschutz ist purer Eigennutz – das erkennen auch immer mehr Unternehmen. Die Bundesregierung muss jetzt dafür sorgen, dass sich Klimaschutz auch rechnet, unter anderem mit einem Abbauplan klimaschädlicher Subventionen“, appelliert Reuter weiter. Denn noch immer fließen allein in Deutsch-land jährlich 60 Milliarden Euro in steuerliche Begünstigungen für Kerosin, Diesel- und Dienstwagenprivilegien. „Angesichts des IPCC-Berichts ist es absurd, dass sich Deutschland im Jahr 2022 noch Subventionen leistet, die dem Klima schaden“, unterstreicht Reuter.

Der IPCC-Report zeigt: Noch besteht die Möglichkeit, die Klimakrise abzuwenden. Der Schlüssel liegt in der deutlichen Erhöhung der Klimaschutzanstrengungen. „Wir stehen an einem historischen Scheideweg. Die Bundesregierung muss mit aller Kraft die sozial-ökologische Transformation der Wirtschaft vorantreiben. Denn diese Transformation schützt nicht nur das Klima, sondern schafft auch zukunftssichere Arbeitsplätze und sichert den Wirtschaftsstandort Deutschland“, sagt Reuter.

BNW fordert konsequente Wärme-, Energie- und Verkehrswende

Der IPCC-Report sowie der russische Angriffskrieg auf die Ukraine und seine ökonomischen Folgen führen uns vor Augen: Um krisenresilient zu werden, müssen wir uns von fossilen Energieträgern verabschieden. Deutschland braucht dafür jetzt auch schnelle Erfolge im Bereich der Energieeffizienz und des Energiesparens. Und: „Die Bundesregierung muss endlich eine echte Verkehrswende einleiten. Die im Koalitionsvertrag beschriebenen Maßnahmen reichen bisher nicht aus, um die CO2-Emissionen im Verkehrssektor konsequent zu mindern“ so Reuter.

Die Bundesregierung veröffentlicht in diesem Jahr ihr Klimaschutzsofortprogramm, die anstehenden Oster- und Sommerpakete sollen dabei wirksame Lösungen hervorbringen. „Leider ist Deutschland noch weit vom gesetzlich vorgeschriebenen 1,5 Grad-Pfad entfernt. Die Bundesregierung muss jetzt liefern, die Abhängigkeit von Öl, Kohle und Gas schnellstmöglich beenden und den Weg freimachen für den massiven Ausbau der erneuerbaren Energien“, betont die BNW-Geschäftsführerin.

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Der Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft e.V. (BNW) ist die politische Stimme der nachhaltigen Wirtschaft und setzt sich als unabhängiger Unternehmensverband für den Umwelt- und Klimaschutz ein. Mit seinen 540 Mitgliedsunternehmen steht der BNW inzwischen für mehr als 120.000 Arbeitsplätze.
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Der neue EU-Asylpakt: Aus Fehlern nichts gelernt

Zwei neue Berichte dokumentieren die fatalen Folgen der europäischen Migrationspolitik

Berlin, 15.02.2021. Die Lebensbedingungen im Flüchtlingscamp Kara Tepe/Mavrovouni auf Lesbos entsprechen nicht einmal den internationalen Mindeststandards für humanitäre Krisen. Doch die EU will die Politik fortsetzen, die für diese Zustände verantwortlich ist. Das kritisieren die Nothilfe- und Entwicklungsorganisation Oxfam und der Griechische Flüchtlingsrat (GCR) in zwei neuen Berichten. Die beiden Organisationen fordern einen besseren Schutz der Rechte von Menschen auf der Flucht und eine fairere Verteilung von Verantwortung innerhalb der EU.

Der Bericht „Tipping the Scales” analysiert, welche Auswirkungen die Weigerung der EU-Länder, Asylsuchende innerhalb Europas umzusiedeln, auf die Situation in Griechenland hat. Er zeigt, dass die Mitgliedsstaaten ihren Verpflichtungen wiederholt nicht nachkamen: entweder, indem sie sich von vornherein weigerten, Geflüchtete aus Griechenland aufzunehmen, oder weil sie ihre Zusagen nicht einhielten. Die EU-Länder haben zudem immer wieder versucht, sich ihrer rechtlichen Pflichten zu entziehen, indem sie die Zusammenführung von Familien durch bürokratische Hürden erschwerten.

All dies schuf zusätzlichen Druck auf die griechischen Asyl-Einrichtungen und führte zu miserablen Lebensbedingungen auf den griechischen Inseln. Die aktuelle Situation auf Lesbos dokumentiert die Februarausgabe des „Lesbos Bulletin“: Zwar hat Griechenland mit Unterstützung der EU die Situation in den Flüchtlingslagern zuletzt teilweise verbessert. So teilen sich in Mavrovouni mittlerweile 47 Menschen eine Warmwasserdusche, nicht mehr 7.600 wie vor einigen Wochen. Doch weiterhin steht 21 Menschen nur eine Toilette zur Verfügung, was nicht den Mindeststandards entspricht, die für internationale Hilfseinsätze in humanitären Krisen und Katastrophen gelten.

Geteilte Verantwortung? Fehlanzeige

Oxfam und GCR analysieren zudem den Vorschlag der EU-Kommission für die Neuordnung der Migrations- und Asylpolitik, insbesondere im Hinblick darauf, ob der Umgang mit Geflüchteten künftig solidarischer innerhalb der EU organisiert wird. Das Fazit: Die Pläne bieten keine Lösungen für die Probleme, die zu den menschenunwürdigen Zuständen auf den griechischen Inseln geführt haben.

„Die EU hat selbst eingeräumt, dass sie mit ihrer Asylpolitik gescheitert ist. Doch der Vorschlag für einen neuen Migrationspakt schreibt genau dieselbe Politik fort. Im besten Fall wird so der zermürbende Schwebezustand verlängert, in dem die Menschen auf den griechischen Inseln ausharren. Im schlimmsten Fall werden sie in die Gefahren zurückgeschickt, denen sie entkommen wollten“, kritisiert Raphael Shilhav, Oxfams Experte für Migrationspolitik im Büro Brüssel.

Die Corona-Pandemie hat zudem zuletzt viele zusätzliche Probleme geschaffen: Familienzusammenführungen können nicht stattfinden und eingeschränkte Öffnungszeiten der griechischen Behörden sowie Ausgangssperren für Geflüchtete verlangsamen die Bearbeitung von Asylanträgen. Zudem wurde der Zugang zu rechtlichem Beistand stark eingeschränkt.

EU entledigt sich ihrer Verantwortung für Geflüchtete

Auf die Überlastung der griechischen Asyl-Einrichtungen reagierte die Regierung unter anderem mit Gesetzesreformen, verstärkter Abschiebehaft und neuen bürokratische Hürden im Asylprozess. Die Folgen sind dramatisch: Jeder fünfte Geflüchtete hat einen Selbstmordversuch unternommen, Menschen werden ohne rechtliche Grundlage inhaftiert, darunter Alte und Überlebende sexualisierter Gewalt. Zudem leben die Bewohner*innen der Flüchtlingslager in ständiger Gefahr vor sexuellen Übergriffen und Kindern wird ihr Recht auf Bildung verwehrt. Berichte über häusliche Gewalt haben zugenommen und die im Zuge der Pandemie verhängten Bewegungseinschränkungen hindern Frauen daran, professionelle Hilfe zu suchen.

„Seit dem EU-Türkei-Abkommen haben die EU und ihre Mitgliedsstaaten versucht, sich ihrer Verantwortung für Geflüchtete zu entledigen. Europa muss die Rechte von Menschen schützen, die bei uns Zuflucht suchen, und zwar solidarisch und in gemeinsamer Verantwortung“, fordert Spyros-Vlad Oikonomou vom Griechischen Flüchtlingsrat.

Redaktionelle Hinweise:

• Interviews mit Expert*innen in Athen und Lesbos (Englisch, Griechisch) und in Brüssel (Englisch) sind möglich.
• Der Bericht “Tipping the Scales: The role of responsibility and solidarity sharing in the situation on the Greek Islands” finden Sie unter folgendem Link: https://www.oxfam.de/system/files/documents/report_tipping_the_scales_-_no_embargo.pdf
• Das aktuelle Lesbos-Bulletin finden Sie unter folgendem Link: https://www.oxfam.de/system/files/documents/february_lesbos_bulletin_-_final.pdf
• Der griechische Minister für Migration und Asyl rechtfertigte die Reformen des griechischen Asylrechts damit, Griechenland zu einem „weniger attraktiven Ziel für Migrationsströme” zu machen und zur „Entstauung” der Inseln beizutragen.
• Der Studie „The Cruelty of Containment: The Mental Health Toll of the EU’s ‘Hotspot’ Approach on the Greek Islands“ des International Rescue Committee zufolge, hat jeder dritte Asylbewerber Selbstmordgedanken und jeder fünfte bereits versucht, sich das Leben zu nehmen.
• Im Jahr 2019 gab es in Griechenland 240 abgelehnte Asylanträge, im Jahr 2020 über 2800.
• Nur ein Drittel der für die Jahre 2015 bis 2017 vereinbarten 160.000 Umsiedlungen haben stattgefunden. Nach dem Brand in Moria versprachen die europäischen Länder die Umsiedlung von 5100 Menschen. Mit 2050 Umsiedlungen wurde weniger als die Hälfte davon erfüllt.

Pressekontakt:

Steffen Küßner, Tel.: 0177-8809977, E-Mail: skuessner@oxfam.de, Twitter: @OxfamPresse

Oxfam ist eine internationale Nothilfe- und Entwicklungsorganisation, die weltweit Menschen mobilisiert, um Armut aus eigener Kraft zu überwinden. Dafür arbeiten im Oxfam-Verbund 20 Oxfam-Organisationen Seite an Seite mit rund 3.500 lokalen Partnern in 67 Ländern.

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Offene Konferenz „Ernährungsdemokratie zum Anpacken“ war ein voller Erfolg

Gruppenbild Ernährungsdemokratie zum Anpacken

Bonn – Am 29.02. und 01.03.2020 fand im Bonner Friedrich-Ebert-Gymnasium die Konferenz “Ernährungsdemokratie zum Anpacken – gemeinsam lernen, gemeinsam genießen, gemeinsam gestalten“ statt, zu der der Stadt.Land.Markt. e. V. in Kooperation mit der Bio-Stadt Bonn und der Initiative zur Gründung eines Ernährungsrats für Bonn und Umgebung eingeladen hatte. Gekommen waren rund 120 Ernährungsengagierte aus dem gesamten deutschsprachigen Raum. In zahlreichen Workshops tauschten diese ihre Erfahrungen aus, wie sich die Lebensmittelversorgung auf kommunaler Ebene „von unten“ beeinflussen und so entlang der gesamten Wertschöpfungskette nachhaltiger gestalten lässt.

In Ihrer Begrüßungsrede betonte Brigitta Poppe-Reiners, Bürgermeisterin des Stadtbezirks Bonn, die Bedeutung einer nachhaltigen Ernährungsversorgung für die Stadt und hatte einen prominenten Gast dabei: den Oxforder Bürgermeister Craig Simmons. Dieser tourt gerade mit seiner Frau von Partnerstadt zu Partnerstadt, um deutlich zu machen, dass die Mehrheit der Oxforder nicht für den Brexit gestimmt hat. Simmons’ Besuch passte auch insofern sehr gut, da Oxford uns in Sachen Ernährungsdemokratie einen großen Schritt voraus ist. So hat die Initiative „Good Food Oxford“ in den sechs Jahren ihres Bestehens zwei öffentlich geförderte Stellen geschaffen, jährlich mindestens eine Großveranstaltung mit mehr als 1.000 Teilnehmer*innen auf die Beine gestellt sowie zahlreiche Informations- und Veran-staltungsformate umgesetzt, die der Bevölkerung das Thema nachhaltige Landwirtschaft und Ernährung näher bringen. Ein Blick in die Bonner Partnerstadt lohnt also auf jeden Fall.

Immer mehr Ernährungsräte im deutschsprachigen Raum

Dass es in Deutschland, Österreich und in der Schweiz eine immer größer werdende Anzahl an Ernährungsräten und an Initiativen zur Gründung ebensolcher gibt, zeigte die „Aufstellung“, zu der Konferenz-Moderator Heinrich Dürscheid beim Startplenum zur Konferenz aufrief: Vertreter der Initiativen stellten sich im Saal auf und anschließend reihum vor, bevor viele von ihnen – wie bei einem Barcamp üblich – auf der Bühne ihre Workshop-Angebote präsentierten. Über 30 Themen kamen zusammen, vom Austausch über geeignete Veranstaltungsformate für Ernährungsinitiativen über die Förder- und Vermarktungsmöglichkeiten von regionalen und ökologisch erzeugten Lebensmitteln bis zu politischen Strategien für die Ernährungswende und Finanzierungsmöglichkeiten für Ernährungsräte. Außerdem gab es ein Preview von „Foodrevolution – Stadt trifft Land“, einem Dokumentationsfilm über Ernährungsräte in Deutschland und Brasilien, den das Bundeszentrum für Ernährung (BZfE) gerade in Zusammenarbeit mit MISEREOR produziert.

Bio-regionale Wertschöpfung fördern

Auf reges Interesse der Teilnehmer*innen stieß auch die Vorstellung der Regionalwert-Nachhaltigkeitsanalyse, einem Online-Tool, das nachhaltige Leistungen von landwirtschaftlichen Betrieben – z. B. Bodenfruchtbarkeit, Biodiversität, Klima, Tierwohl, und regionale Wertschöpfung – sichtbar machen kann. Um regionale und nachhaltige Wert-schöpfungsketten ging es beispielsweise auch in der Session zum Projekt „Food Strips“, bei dem ein ehemaliges Braunkohlerevier zu einer Region der stadtnahen Lebensmittel-produktion weiterentwickelt werden soll. Darya Hirsch, Koordinatorin der Bio-Stadt Bonn, informierte über das Netzwerk der Bio-Städte, -Gemeinden und -Landkreise und gab Einblicke in ihre Tätigkeit. Die Arbeitskreise „Bio in Bonn“ und „Direktvermarktung“ der Bonner Initiative für einen Ernährungsrat brachten wertvollen Input ein, mit welchen Maßnahmen sie schon seit zwei Jahren dafür sorgen, dass bio-regionale Lebensmittelerzeuger ihre Produkte in Bonn vermarkten können – von der Bio-Gastro-Messe über die Marktschwärmerei und den Bauern-markt bis zur Foodcoop. Eine Dokumentation aller Workshops ist geplant, um die großartigen Impulse und Best-Practice-Beispiele anderen Akteuren zugänglich zu machen. Denn, wie zahlreiche Gespräche zeigten, ist vor allem für ehrenamtlich organisierte Initiativen der Austausch von Wissen und Erfahrungen ein hoch geschätztes Gut.

Ernährungsräte können Einfluss auf die Kommunalpolitik nehmen

Das Ziel aller Ernährungsräte ist es, durch ihre Arbeit das eigene, lokale Ernährungssystem zu verändern. Dabei sind die Organisationsformen in den verschiedenen Städten so unterschiedlich wie die Kontakte zur Politik. Weil es in den meisten Kommunal-verwaltungen keinen Ansprechpartner für Themen der Ernährungspolitik gibt, stehen Fragen rund um eine nachhaltige Versorgung mit Lebensmitteln, wenn überhaupt, weit unten auf der Agenda. Ernährungsräte können das ändern. Sie können ihre Forderungen in die (kommunal-) politischen Entscheidungsgremien tragen und auf diese Weise zum Beispiel dazu beitragen, wie Ausschreibungen für die Gemeinschaftsverpflegung in Kitas, Schulen und Seniorenheimen ausgestaltet werden. Die Voraussetzung dafür ist, dass die Verwaltungen die Expertise und die Innovationskraft der Ernährungsräte anerkennen und zu einer Zusammenarbeit bereit sind. In einigen Städten ist dies zum Glück schon der Fall.

Ernährungsrat Bonn ist in der Kommunalpolitik angekommen

In Bonn ist das Thema Ernährungsrat mittlerweile in der Kommunalpolitik angekommen, wie sich bei der Podiumsdiskussion am Vorabend der Konferenz zeigte. Die Oberbürgermeister-Kandidat*innen Lissi von Bülow (SPD), Katja Dörner (Die Grünen) und Michael Faber (Die Linke) signalisierten unisono, „dass das Thema wichtig ist und insbesondere auf kommunaler Ebene bearbeitet werden muss, um Veränderungen vor Ort zu erreichen.“, so Lissi von Bülow auf Facebook. Die Idee, einen Ernährungsrat in Bonn zu etablieren, unterstützen alle drei Kandidat*innen. Und auch aus den anderen Fraktionen ist zu hören, dass die vor Kurzem noch unbekannte Idee eines Ernährungsrats für Bonn und Umgebung auf Interesse und Zustimmung stößt. Zahlreiche Best-Practice-Beispiele aus anderen Städten zeigen eindrucksvoll, wie sich verschiedene Herausforderung in der Organisation der städtischen Ernährungsversorgung meistern lassen. Und so dürfte es auch für die kommunalen Entscheider von unschätzbarem Wert sein, vom Wissenstransfer zwischen den Ernährungsräten und weiteren Initiativen, die sich für eine nachhaltige Versorgung mit Lebensmitteln einsetzen, zu profitieren. Veranstalter*innen und Teilnehmer*innen der Konferenz „Ernährungsdemokratie zum Anpacken“ sind sich jedenfalls einig, dass die Vernetzung untereinander so lebhaft weitergeführt werden und durch einen noch zu gründenden Netzwerk-Verein weiter gestärkt werden sollte.

Für Foto-Anfragen und weitere Informationen wenden Sie sich bitte per Mail an stadtlandmarkt@gmx.de. Wir freuen uns auf Ihre Nachricht sowie über Belege bei Veröffentlichung!

Die Veranstalter*innen

Logo Stadt.Land.Markt. e. V.Der Stadt.Land.Markt. e. V. wurde im Sommer 2018 gegründet, um Verbraucher aus der Stadt mit Erzeugern aus dem Umland zusammenzubringen. Neben dem Betreiben eines Bauernmarktes in der Bonner Altstadt verfolgt der Verein das übergeordnete Ziel, Bonner*innen über geeignete Veranstaltungs- und Bildungsformate für eine nachhaltige Ernährung zu sensibilisieren und über verantwortungsvoll erzeugte Lebensmittel zu informieren.

www.stadtlandmarktbonn.de

 

Logo Bio-Stadt BonnDie Stadt Bonn ist im Frühjahr 2019 als erste Stadt aus NRW dem Netzwerk Bio-Städte beigetreten. Ziel der Mitgliedschaft in der kommunalen Arbeitsgemeinschaft ist es, den Ökolandbau, die Weiterverarbeitung und die Nachfrage nach Bio-Lebensmitteln mit kurzen Transportwegen und regionaler Wertschöpfung verstärkt zu fördern. Die Stadt will dazu Projekte und Maßnahmen initiieren, Öffentlichkeitsarbeit machen und die weitere Einführung von Bio-Lebensmitteln in ihren Gemeinschaftseinrichtungen unterstützen.

www.bonn.de/bio-stadt

 

Förderlogo BMEL BÖLNDas Projekt wird gefördert vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages im Rahmen des Bundesprogramms Ökologischer Landbau und andere Formen nachhaltiger Landwirtschaft (BÖLN).