Geheimhaltung und Verzögerungstaktik nach Salmonellenbefall: foodwatch kritisiert Ferrero und fordert Reformen im Kontrollsystem

Pressemitteilung

Berlin, 14. April 2022. Die Verbraucherorganisation foodwatch hat Ferrero schwere Versäumnisse beim Krisenmanagement vorgeworfen. Der Süßwarenkonzern hätte die Behörden sofort über den Salmonellen-Ausbruch in seinem Werk in Belgien informieren müssen. Dann hätten Verbraucher:innen schneller gewarnt werden können, kritisierte foodwatch. Die Verbraucherorganisation forderte Reformen im Kontrollsystem: Sowohl Lebensmittelhersteller als auch Behörden müssten per Gesetz dazu verpflichtet werden, Missstände immer sofort öffentlich zu machen.

Ferrero hatte erst Anfang April zugegeben, am 15. Dezember bei Eigenkontrollen in einem Werk in Belgien Salmonellen gefunden zu haben – der Konzern hatte das damals aber nicht den Behörden gemeldet. Vielmehr wurde der Fall erst öffentlich, nachdem die Gesundheitsbehörden in Großbritannien auf ungewöhnlich viele Salmonellen-Fälle stießen und Nachforschungen anstellten. Am 23. März konnten die britischen Behörden eine erste Verbindung zwischen den Fällen und Ferrero-Produkten herstellen und informierten darüber auch den Konzern. Das bestätigten die Behörden in Großbritannien gegenüber foodwatch. Trotzdem dauerte es dann noch einmal fast zwei Wochen, bis Anfang April, bis Ferrero die Behörden in Belgien informierte und erste öffentliche Rückrufe startete.

„Ferrero entdeckt Salmonellen in seiner Produktion, behält das aber für sich – und produziert weiter. Erst als Behörden in Großbritannien misstrauisch werden, weil es verdächtig viele Salmonellen-Fälle gibt, rückt der Konzern mit der Sprache raus. Hätte Ferrero den Salmonellen-Befall in seinem Werk umgehend den Überwachungsbehörden gemeldet, hätten Verbraucher:innen überall in Europa viel schneller gewarnt werden können. Der Fall Ferrero zeigt einmal mehr die Schwachstellen bei der Lebensmittelsicherheit“, sagte Rauna Bindewald von foodwatch.

foodwatch forderte zudem das zuständige Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) auf, die Verzögerung bei Rückrufen in Deutschland zu erklären: Die Behörden in Großbritannien hatten bereits am 2. April Produkte zurückgerufen, in Deutschland gab es erst am 5. April Rückrufe.

Quellen und weiterführende Informationen:

Bericht von EU-Lebensmittelsicherheitsbehörde und EU-Gesundheitsbehörde zu Ferrero: https://www.ecdc.europa.eu/sites/default/files/documents/ROA_monophasic-S-Typhimurium-ST34-linked-to-chocolate_2022-00014_UK-FINAL.pdf
Ferrero-Rückrufe auf dem Behördenportal www.lebensmittelwarnung.de

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foodwatch e.V.
Andreas Winkler
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BNW fordert Importsteuer auf russisches Erdgas und Erdöl sowie ein sofortiges Tempolimit auf deutschen Autobahnen

Berlin, 14.04.2022: Der Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft e. V. (BNW) fordert von der Bundesregierung größere Anstrengungen bei der Reduktion von Importen fossiler Energien aus Russland. Der EU-weite Stopp von Kohle-Importen aus Russland sei ein wichtiger Schritt. Nun müssen weitere Maßnahmen folgen, um die Öl- und Gasimporte aus Russland zu reduzieren und zeitnah komplett einzustellen. Ein geeignetes Instrument sieht der Verband in einer Importsteuer auf russisches Erdgas und Erdöl. Zudem fordert der BNW die sofortige Umsetzung von Maßnahmen, um den Ressourcenverbrauch schnell und deutlich zu senken. Darunter fällt die Forderung nach einer sofortigen Umsetzung eines Tempolimits auf Autobahnen und der Abbau steuerlicher Subventionen für Autofahrer:innen.

Im Angesicht des völkerrechtswidrigen russischen Angriffskrieges auf die Ukraine und der Kriegsverbrechen Russlands müssen laut BNW weitere Anstrengungen zur Reduktion von Öl- und Gasimporten aus Russland folgen. Der Verband begrüßt ausdrücklich das Ziel der Bundesregierung, von fossilen Energien aus Russland unabhängig werden zu wollen. Zugleich sind zahlreiche Optionen noch nicht ausgeschöpft.

So macht sich der BNW für eine Importsteuer auf russisches Erdgas und Erdöl stark. BNW-Vorstand Klaus Stähle (Fachanwalt für Arbeitsrecht) dazu: „Statt einem sofortigen Importstopp von russischem Erdgas, der für uns und unsere europäischen Partnerländer schwer kalkulierbare Folgen hätte, möchten wir den an Russland zu entrichtenden Preis und so seine Einnahmen reduzieren.“

Konkret fordert der Verband eine Importsteuer auf russisches Erdgas und Erdöl. Für Erdöl sollte sie sich um jeweils 1/12 eines jeden Monats erhöhen, für Erdgas um jeweils 1/24, bis sie bei Erdöl nach einem Jahr und bei Erdgas nach zwei Jahren 100% erreicht. BNW-Vorstand Jan-Karsten Meier (Unternehmensberater) weiter: „So würde russisches Gas und Öl am Markt bleiben, der Preis aber erhöht und die Einnahmen Russlands de facto sinken.“

Der Wirtschaftsverband schlägt vor, die eingenommenen Importzölle zweckgebunden in den Umbau der Energiewirtschaft und den Ausbau von erneuerbaren Energien zu investieren. Der Verband macht deutlich, dass weder Fracking noch LNG eine Alternative sein darf. Es braucht einen konsequenten Umbau hin zu erneuerbaren Energien, nicht in fossile Energieträger!

Darüber hinaus müssen laut BNW Maßnahmen mit dauerhafter Lenkungswirkung, die die Abhängigkeit von Russland reduzieren und zugleich langfristig positive Effekte für Klima- und Umwelt haben, in den Blick genommen werden. BNW-Vorständin Dr. Antje von Dewitz (Geschäftsführerin VAUDE Sport GmbH & Co. KG) erklärt: „Es ist das Gebot der Stunde, sofort Maßnahmen mit dauerhafter Lenkungswirkung hin zu weniger Ressourcenverbrauch umzusetzen. Weg vom Krisenmodus und Maßnahmen mit kurzfristiger Wirkung, wie beim zeitlich begrenzten 9-Euro-ÖPNV-Ticket oder gar falscher Lenkungswirkung wie der Steuersenkung für Benzin und Diesel.“

Konkret fordert der BNW:

  • Förderung der Energie- und Ressourceneffizienz bei Unternehmen, privaten Verbraucher:innen und der öffentlichen Hand
  • Abbauplan für klimaschädliche Subventionen
  • Abbau steuerlicher Subventionen, die Autofahren attraktiv machen
  • Umsetzung eines sofortigen Tempolimit auf deutschen Autobahnen
  • Dauerhafte Förderung von ÖPNV und grüner Mobilität
  • Überprüfung der Klimawirksamkeit von bestehenden Gesetzen

Zugleich sieht der Verband nicht nur die Politik in der Pflicht. Auch Unternehmen können und müssen ihren Teil dazu beitragen, die Abhängigkeit von Erdgas- und Erdölimporten aus Russland zu reduzieren und zugleich Klima und Umwelt zu helfen. Deswegen ruft der BNW alle Unternehmen dazu auf, folgende Maßnahmen umzusetzen:

  • Umstieg auf echte Ökostrom-Anbieter
  • Konsequente Umsetzung von Energiesparmaßnahmen
  • Raumtemperatur um 1-2 Grad reduzieren; in ungenutzten Räumen die Heizung komplett aus
  • Mobilitätsrichtlinien auf CO2-Ersparnis ausrichten
  • Home-Office weiterhin ermöglichen, sofern es die Arbeitsabläufe zulassen
  • Förderung von Fahrrad/Mitfahrgelegenheiten/ÖPNV für Mitarbeitende
  • Verzicht auf Kurzstreckenflüge

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Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft e.V.
Dr. Katharina Reuter, Geschäftsführerin
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Agentur Ahnen&Enkel
Kai Weller
weller@ahnenenkel.com

Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft (BNW)
Der Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft e.V. ist die politische Stimme der nachhaltigen Wirtschaft und setzt sich als unabhängiger Unternehmensverband für den Umwelt- und Klimaschutz ein. Mit seinen 540 Mitgliedsunternehmen steht der BNW inzwischen für mehr als 120.000 Arbeitsplätze.




Erst Krise, dann Katastrophe: Oxfam-Bericht sieht über 250 Millionen Menschen armutsgefährdet

[PRESSE-INFO]

Steuergerechtigkeit, Schuldenerlass und Globaler Fonds für soziale Sicherung nötig // Bundesregierung muss Entwicklungsetat erhöhen

Berlin, 12. April 2022. Mehr als eine Viertelmilliarde Menschen könnten im Jahr 2022 in extreme Armut abrutschen. Gründe dafür sind die COVID-19-Krise, die zunehmende globale Ungleichheit und Preissteigerungen bei Lebensmitteln, die durch den Krieg in der Ukraine noch verstärkt werden. Das ist das Ergebnis der Studie „First Crisis, Then Catastrophe“, die die Nothilfe- und Entwicklungsorganisation Oxfam vor der Frühjahrstagung von Weltbank und IWF und dem G20-Finanzministertreffen in Washington vorstellt. Sie prognostiziert, dass bis Ende dieses Jahres 860 Millionen Menschen in extremer Armut leben könnten – und damit weniger als 1,90 Dollar pro Tag zur Verfügung haben. Oxfam fordert von der Bundesregierung, die von der Corona-, Klima- und Ukraine-Krise massiv betroffenen einkommensschwachen Länder nun entschieden durch höhere Leistungen für Entwicklungszusammenarbeit zu unterstützen. Auf internationaler Ebene muss sie sich für Schuldenerlässe, eine höhere Besteuerung von Vermögen und übermäßigen Gewinnen sowie die Gründung eines Globalen Fonds für soziale Sicherung einsetzen.

Nach Berechnungen der Weltbank werden durch COVID-19 und die zunehmende Ungleichheit in diesem Jahr 198 Millionen Menschen in die extreme Armut abrutschen. Damit drohen zwei Jahrzehnte des Fortschritts bei der Armutsbekämpfung zunichte gemacht zu werden. Auf der Grundlage dieser Berechnungen schätzt Oxfam, dass allein durch die weltweit steigenden Nahrungsmittelpreise weiteren 65 Millionen Menschen extreme Armut droht. Insgesamt sind damit 263 Millionen Menschen akut armutsgefährdet – das entspricht der Bevölkerung von Großbritannien, Frankreich, Deutschland und Spanien zusammengenommen.

„Im Zuge der Corona-Pandemie ist in den vergangenen Jahren die bereits zuvor dramatische weltweite Ungleichheit weiter gestiegen. Hinzu kommt nun der Krieg in der Ukraine, mit dramatischen Folgen in einkommensschwachen Ländern: Ungleichheit und Armut drohen hier weiter zu steigen. Die Weltgemeinschaft darf die Menschen in den einkommensschwachen Ländern jetzt nicht vergessen“ so Tobias Hauschild, Leiter Soziale Gerechtigkeit bei Oxfam Deutschland.

Oxfams Bericht weist darauf hin, dass eine Reihe von Regierungen kurz vor der Zahlungsunfähigkeit steht und gezwungen ist, die öffentlichen Ausgaben zu kürzen. Die ärmsten Länder der Welt müssen in diesem Jahr Schulden in Höhe von 43 Milliarden Dollar zurückzahlen. Dieses Geld fehlt zum Beispiel bei Lebensmittelimporten.

Menschen, die in Armut leben, sind von diesen Schocks am stärksten betroffen. Steigende Lebensmittelkosten machen in wohlhabenden Ländern 17 Prozent der Verbraucherausgaben aus, in den afrikanischen Ländern südlich der Sahara jedoch bis zu 40 Prozent. Selbst innerhalb der reichen Volkswirtschaften verschärft die Inflation die Ungleichheit: In den USA geben die ärmsten 20 Prozent der Familien 27 Prozent ihres Einkommens für Lebensmittel aus, während die reichsten 20 Prozent nur 7 Prozent ausgeben.

“Die Weltgemeinschaft hat die Mittel, um alle Menschen aus Armut und Hunger zu befreien. Was fehlt, ist der politische Wille. Es ist ein fatales Signal, dass ausgerechnet Deutschland im Jahr der eigenen G7-Präsidentschaft den Entwicklungsetat im Bundeshaushalt 2022 drastisch kürzt. Die Bundesregierung sollte diese Entscheidung revidieren und die Mittel in den kommenden Jahren entschieden erhöhen, um so Bildung, Gesundheit und Ernährungssouveränität in einkommensschwachen Ländern und einen Globalen Fonds für soziale Sicherung zu finanzieren”, fordert Hauschild.

Zudem dringt Oxfam auf Vermögenssteuern, um die Krisen sozial gerecht abzufedern – so auch in Deutschland. Obwohl sich die Kosten auftürmen, haben es die Regierungen – mit wenigen Ausnahmen – versäumt, die Steuern für die Reichsten zu erhöhen. Argentinien hat eine einmalige Sonderabgabe, die so genannte “Millionärssteuer”, eingeführt, die rund 2,4 Milliarden Dollar zur Finanzierung der Coronapandemiebekämpfung eingebracht hat.

Weiter sollten die G20, IWF und Weltbank auf alle Schuldenrückzahlungen von Ländern mit einem kritischen Verschuldungsniveau verzichten. Ein Schuldenerlass würde allein im Jahr 2022 mehr als 30 Milliarden Dollar für 33 Länder freisetzen, die sich bereits in einer Notlage befinden oder bei denen ein hohes Risiko besteht, dass sie in Schwierigkeiten geraten.

Redaktionelle Hinweise

Die Oxfam-Studie “First Crisis, Then Catastrophe“ steht unter zum Download bereit unter https://www.oxfam.de/sites/default/files/filefield_paths/first_crisis_then_catastrophe_embargoed_0001_gmt_12_april_2022.pdf

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Oxfam ist eine der weltweit größten Nothilfe- und Entwicklungs­organisationen. Wir bekämpfen extreme Armut und soziale Ungleichheit mit über 75 Jahren Erfahrung. Zusammen mit rund 4.100 Partner­organisationen sind wir in über 90 Ländern aktiv. Außerdem machen wir Druck bei Politik und Wirtschaft – mit kreativen Kampagnen, Fachgesprächen und öffentlichen Aktionen.

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„Kein Essen mehr in den Tank“: foodwatch und Deutsche Umwelthilfe fordern Ende der staatlichen Förderung von Agrokraftstoffen – Protestaktion vor Umweltministerium

Pressemitteilung

+++ Aktionsfotos zur freien Verwendung zum Download unter https://www.flickr.com/photos/foodwatch/albums/72177720297928228 +++

Berlin, 7. April 2022. foodwatch und die Deutsche Umwelthilfe haben die Bundesregierung aufgefordert, die staatliche Förderung von Agrokraftstoffen zu stoppen. Unter dem Motto „Kein Essen mehr in den Tank“ protestierten Aktivist:innen der beiden Organisationen am Donnerstag vor dem Bundesumweltministerium in Berlin. Angesichts drohender Hungerkatastrophen weltweit sei es unverantwortlich, dass weiterhin Lebensmittel wie Weizen oder Mais in Autotanks landen. Allein in Deutschland wachsen auf einer Fläche rund dreimal so groß wie das Saarland Pflanzen zur Herstellung von Agrokraftstoffen. Diese Fläche könne stattdessen für die Produktion von Nahrungsmitteln genutzt werden, so foodwatch und die Deutsche Umwelthilfe. Umweltministerin Steffi Lemke, Agrarminister Cem Özdemir und Wirtschaftsminister Robert Habeck beraten derzeit über das Thema, eine Entscheidung zum weiteren Umgang mit der staatlichen Agrokraftstoff-Förderung scheint kurz bevorzustehen.

„Beim Agrokraftstoff ist die Sachlage klar: Es spricht nichts dafür und alles dagegen. Der Anbau von Getreide, Raps & Co. für Sprit verschlingt riesige landwirtschaftliche Flächen und befeuert damit die Klimakrise und das Artensterben. Lebensmittel, die bei uns als Sprit im Tank landen, fehlen zudem andernorts auf den Tellern der Menschen – angesichts einer drohender Nahrungsmittelkrise durch den Ukraine-Krieg ist das unverantwortlich. Schluss mit der unsinnigen Verbrennung von Lebensmitteln als Kraftstoff! Bundesumweltministerin Steffi Lemke muss gemeinsam mit ihren Ministerkolleginnen und Ministerkollegen sofort Abhilfe schaffen: Mit einer simplen Gesetzesänderung können Nahrungsmittel in deutschen Autotanks endlich passé sein“, so Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe.

Saskia Reinbeck von der Verbraucherorganisation foodwatch erklärte: „Es ist absolut unverantwortlich, dass tonnenweise Lebensmittel in Autotanks landen – und dieser Irrsinn noch immer staatlich gefördert wird. Allein in Europa wird täglich Weizen für umgerechnet 15 Mio. Brote verbrannt. Gleichzeitig drohen in Ländern im Nahen Osten und in Afrika katastrophale Hungersnöte. Die Bundesregierung kann und muss jetzt handeln und die schädliche Förderung von Agrokraftstoffen sofort beenden.“

In Deutschland werden auf knapp 800.000 Hektar Pflanzen wie Raps oder Mais für die Herstellung von Agrokraftstoffen angebaut. Etwa 60 Prozent der gesamten Rapsanbaufläche in Deutschland ist für den Anbau von Rapsöl für Agrokraftstoff belegt, 12 Prozent des in Deutschland verwendeten Getreides werden energetisch genutzt.

Agrokraftstoffe werden herkömmlichem fossilem Diesel und Benzin beigemischt. Die Bundesregierung fördert Agrokraftstoffe, indem sie es Kraftstoffherstellern ermöglicht, die Beimischung auf die gesetzlich vorgeschriebene Treibhausgasminderungsquote anzurechnen. Da Agrokraftstoffe teurer sind als fossile Kraftstoffe würden sie ohne staatliche Förderung nicht eingesetzt werden. Expert:innen kritisieren seit vielen Jahren, dass der Anbau von Pflanzen für Kraftstoff in Konkurrenz zur Produktion von Lebensmitteln steht und dass der Einsatz von Agrokraftstoffen aufgrund des immensen Flächenverbrauchs klimaschädlich ist.

Foto: foodwatch/Walter Wetzler
Quellen und weiterführende Informationen:

„Hohe Klimakosten durch vermeintlich grüne Agrokraftstoffe“: DUH zu Agrokraftstoffen: https://www.duh.de/fileadmin/user_upload/download/Projektinformation/Naturschutz/Agrokraftstoffe/DUH_Briefing_Agrokraftstoffe_23_02_2022_final.pdf
„CO2-Opportunitätskosten von Biokraftstoffen in Deutschland“: Studie des Ifeu-Instituts: https://www.ifeu.de/fileadmin/uploads/pdf/CO2_Opportunit%C3%A4tskosten_Biokraftstoffe_1602022__002_.pdf

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Supermarkt-Check 2022: Edeka erneut Schlusslicht bei Menschenrechten

[Presse-Info]

Edeka nimmt Ausbeutung in seiner Lieferkette weiter in Kauf – Lidl, Aldi und Rewe machen Fortschritte

Berlin, 5. April 2022. Unter den großen Supermarktketten in Deutschland fällt Edeka beim Schutz von Menschenrechten in den Lieferketten ihrer Produkte weiter zurück. Das zeigt der aktuelle Supermarkt-Check der Nothilfe- und Entwicklungsorganisation Oxfam. Während die Supermärkte Aldi, Lidl und Rewe Fortschritte beim Umgang mit Menschenrechten in ihren Lieferketten gemacht haben, bleibt Edeka stur. Die Folge: Der Konzern bleibt im Supermarkt-Check 2022 abgeschlagenes Schlusslicht. Dies zeigt, dass freiwillige Initiativen nicht ausreichen. Es braucht wirksame Gesetze, um Menschenrechtsverletzungen zu verhindern.

Mit dem Supermarkt-Check analysiert Oxfam seit 2018 regelmäßig den Umgang von großen Einzelhandelskonzernen mit Menschenrechten in ihren Lieferketten. Dabei werden die Themen Transparenz, Arbeitnehmerrechte, der Umgang mit Kleinbäuer*innen und Frauenrechte unter die Lupe genommen. Seit dem ersten Check hat sich etwa Lidl von fünf auf 59 Prozent gesteigert, Rewe von einem auf 48 Prozent. Edeka hingegen erreicht auch beim diesjährigen Supermarktcheck nur elf Prozent der möglichen Punkte.

„Der Supermarkt-Check zeigt: Edeka ist Schlusslicht beim Schutz von Menschenrechten. Aldi, Lidl und Rewe machen Fortschritte, doch auch bei ihnen spielen Menschenrechte weiterhin nur eine Nebenrolle“, sagt Tim Zahn, Oxfam-Experte für Wirtschaft und Menschenrechte. Die Folgen: Arbeiter*innen in den Lieferketten der Supermärkte werden weiter ausgebeutet. Tim Zahn weiter: „Für einen ganzen Tag Arbeit erhalten Beschäftigte in Costa Rica bei einem Ananas-Zulieferer von Edeka beispielsweise nur 4,50 Euro – ein Lohn weit unter dem Existenzminimum.“

Bereits mehrfach haben Oxfam-Studien in der Vergangenheit Arbeits- und Menschenrechtsverletzungen in den Lieferketten der deutschen Supermärkte aufgedeckt. Diese zeigten etwa sklavenähnliche Arbeitsbedingungen im Kaffeeanbau in Brasilien.

Fortschritte bei Aldi, Lidl und Rewe

Die zusätzlichen Punkte beim diesjährigen Supermarkt-Check haben die Konzerne vor allem durch neue Unternehmensrichtlinien und mehr Transparenz erreicht. So veröffentlicht Lidl inzwischen alle Lieferanten entlang den Lieferketten für Bananen, Erdbeeren und Tee. Aldi, Rewe und Lidl haben zudem neue Leitlinien für Geschlechtergerechtigkeit veröffentlicht und engagieren sich in Pilotprojekten für existenzsichernde Löhne und Einkommen in den Anbauländern. Die Unternehmen zeigen damit: Sie können ihre Menschenrechtspolitik verbessern.

Billigpreise und Hungerlöhne: Das Problem ist die Preispolitik

Doch auch Aldi, Lidl und Rewe erfüllen nur knapp 50 bis 60 Prozent der Kriterien, die für eine gute Menschenrechtspolitik notwendig wären. Vor allem bei der Preispolitik gibt es zu wenig Bewegung. Die Supermärkte üben weiterhin Preisdruck auf ihre Lieferanten aus und tragen somit zu niedrigen Löhnen in den Lieferketten bei. Zeitgleich verzeichnen die Supermärkte gerade während der COVID-19-Pandemie Rekordumsätze und entsprechend wuchsen auch die Milliardenvermögen der Eigentümer weiter an. „Geld für eine andere Preispolitik ist genug da, doch am grundsätzlichen Geschäftsmodell der Supermärkte hat sich nichts geändert, es steht weiterhin für Ausbeutung“, so Tim Zahn. „Sie machen weiterhin Profite auf Kosten von Menschenrechten. Das muss sich ändern. Die Beschäftigten in den Lieferketten müssen endlich ein angemessenes Einkommen bekommen.“

Wirksame Gesetze: Der Schlüssel für besseren Menschenrechtsschutz

Die Verweigerung von Edeka zeigt, dass freiwilliges Engagement nicht ausreicht. Daher muss auch die Bundesregierung handeln: Sie muss das deutsche Lieferkettengesetz ambitioniert umsetzen und sich außerdem dafür einsetzen, dass der Entwurf für ein EU-Lieferkettengesetz die Lücken im deutschen Gesetz schließt. Zudem müssen Betroffene von Menschenrechtsverletzungen die Möglichkeit bekommen, Schadensersatz bei deutschen Gerichten einzuklagen.

Weiterführende Informationen:

Die Ergebnisse des aktuellen Supermarkt-Checks stehen unter SPERRFRIST 05.04.2022, 01:01 MESZ zum Download zur Verfügung: https://oxfam.box.com/s/uj8flznabz34dcgee8g23pozny0af7h9, Passwort oxfam2022
Den Supermarkt-Check 2020 können Sie hier nachlesen
Die Studie Grenzenlose Ausbeutung vom Februar dieses Jahres können Sie hier nachlesen
Die Studie zu den Auswirkungen der Coronapandemie finden Sie hier
Als Interviewpartner stehen Tim Zahn, Oxfam-Experte für Menschenrechte in Lieferketten sowie Dr. Franziska Humbert, Oxfam-Expertin für Wirtschaft und Menschenrechte, zur Verfügung

Pressekontakt:

Katharina Wiechers,
Tel.: 030-45 30 69 717,
E-Mail: kwiechers@oxfam.de,
Twitter: @OxfamPresse

Oxfam ist eine internationale Nothilfe- und Entwicklungsorganisation, die weltweit Menschen mobilisiert, um Armut aus eigener Kraft zu überwinden. Dafür arbeiten im Oxfam-Verbund 21 Oxfam-Organisationen Seite an Seite mit rund 4.100 lokalen Partnern in 90 Ländern.
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Report des IPCC zeigt drastisch: Emissionen müssen in diesem Jahrzehnt massiv sinken – Klimafinanzierung muss steigen

Pressemitteilung Germanwatch

  • Weltklimarat sieht in sehr starker Emissionsminderung bis 2030 und Verdreifachung bis Versechsfachung der jährlichen Investitionen dafür die einzige Chance, 1,5-Grad-Limit ohne zeitweises Überschreiten zu schaffen
  • Laut der meisten Szenarien ist das 1,5-Grad-Limit nur noch mit ergänzender CO2-Entnahme aus der Atmosphäre realistisch – aber noch viel Forschungsbedarf zu den möglichen Technologien
  • Germanwatch: Turbo beim Ausstieg aus fossilen Energien und Prüfung des Einsatzes negativer Emissionen sowie deutlich mehr Unterstützung für die ärmeren Länder des globalen Südens nötig

Bonn/Berlin (4. April 2022). Der heute vorgelegte dritte Teil des neuen Reports des Weltklimarats IPCC zeigt nach Ansicht von Germanwatch in nie da gewesener Deutlichkeit, dass die für die Bewältigung der Klimakrise entscheidende Dekade begonnen hat. „Der IPCC zeigt, dass wir zur Eindämmung der Klimakrise nur noch eine Option haben: die massive Senkung der globalen Emissionen bereits bis Ende dieses Jahrzehnts und eine entsprechende Steigerung der dafür nötigen Investitionen“, betont Christoph Bals, Politischer Geschäftsführer der Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch. „Der Krieg gegen die Ukraine zeigt zudem, dass es zwei gute Gründe für diese Beschleunigung gibt: Ein rascher Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas ist der einzige Weg zur Abwendung einer eskalierenden Klimakrise und der schnellste Weg zu Stabilität und Frieden, da er gas- und ölreichen autokratischen Regimen ihre schärfste Waffe nimmt.“

„CO2-Entnahme ist kein Rabatt auf nötige große Emissionsminderung“

Der IPCC stellt klar, dass er ohne massive Emissionssenkungen bereits bis 2030 keinerlei Chancen mehr sieht, ein zumindest zeitweises Überschießen des 1,5-Grad-Limits zu vermeiden. Vermutlich ist selbst bei durchgreifenden und schnellen Reduktionen ergänzend auch die Entnahme von CO2 aus der Atmosphäre notwendig. Bals: „Jedem sollte klar sein: Die Entnahme von CO2 aus der Atmosphäre gibt uns keinen Rabatt auf die nötigen massiven Emissionseinschnitte bis 2030. Ohne ungefähr eine Halbierung der globalen Emissionen bis 2030 im Vergleich zu 2010 wird das sehr wichtige Ziel zur Abwendung einer möglicherweise eskalierenden Klimakrise – das 1,5-Grad-Limit – gerissen. Wir brauchen aber zusätzlich Forschung dazu, ob und wie ergänzend eine möglichst risikoarme Entnahme von CO2 aus der Atmosphäre gelingen kann. Dies würde die Chancen erhöhen, die Auswirkungen der Klimakrise abzumildern. In welchem Ausmaß das gelingen kann ist ebenso offen, wie mögliche Rückkopplungen und Risiken für Mensch und Natur, die damit verbunden sein könnten. Wenn der Turbo beim Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas gelingt, dann kann diese zusätzliche Absicherung eventuell das Überschreiten der Hochgefahrenschwelle von 1,5 Grad vermeiden.“

Dekarbonisierung des Flugverkehrs macht Fliegen nicht klimafreundlich

Bals betont: „Leider wurde die Übernahme einer wichtigen Aussage des Hauptberichts zum Flugverkehr in die Summary for Policymakers verhindert: Klimaschutz muss beim Flugverkehr über die Emissionseinsparung hinausgehen, da beim Fliegen zwei Drittel der Erwärmungswirkung der Emissionen nicht von CO2, sondern von anderen Emissionsbestandteilen herrühren. Eine Dekarbonisierung der Treibstoffe allein macht den Flugverkehr also noch nicht klimafreundlich.“

Die Zusammenfassung für die politischen Entscheidungsträger macht deutlich, dass zwischen 2020 und 2030 durchschnittlich weltweit drei bis sechs Mal mehr in Klimaschutz pro Jahr investiert werden muss als bisher, wenn der globale Temperaturanstieg auf weniger als 2 Grad oder gar 1,5 Grad begrenzt werden soll. Die Lücke zwischen aktuell tatsächlichen und notwendigen Investitionen sei im Landnutzungssektor und in Entwicklungsländern am größten. Deutlich größere Zuschüsse von Industriestaaten für Klimaschutz und -anpassung in verletzlichen Regionen, ganz besonders in Sub-Sahara-Afrika, würden sich nicht nur ökonomisch lohnen, sondern hätten auch große soziale Vorteile – etwa für den Zugang zu einer Grundversorgung mit Energie.

Rixa Schwarz, Leiterin des Teams Internationale Klimapolitik bei Germanwatch: „Der IPCC zeigt, dass Alle mehr investieren müssen, aber dass vor allem die besonders Verletzlichen im globalen Süden bisher keine Unterstützung erhalten, die dem tatsächlichen Bedarf auch nur annähernd entspricht. Die Wissenschaft hat dies noch nie so klar wie jetzt formuliert.“ Es sei wichtig, dass der IPCC nun erstmals in der Zusammenfassung für die politischen Entscheidungsträger auch die notwendige Finanzierung für die wachsenden klimabedingten Schäden und Verluste anspreche. Schwarz: „Für klimabedingte Schäden und Verluste kommen die historischen Hauptverursacher aus dem globalen Norden und die großen Schwellenländer mit noch immer steigenden Emissionen bisher überhaupt nicht auf.“

Mehr und breitere Klimapartnerschaften mit Schwellenländern nötig

Berechnungen auf Grundlage des IPCC-Reports ergeben: Würden die weltweiten Emissionen auf dem Stand von 2019 (vor Corona) verharren, wäre das noch zur Verfügung stehende Budget für das 1,5-Grad-Limit in ca. 11 bis 13 Jahren komplett aufgebraucht. Doch der Report sieht auch Anlass zur Hoffnung, denn der Siegeszug der Erneuerbaren Energien ist weltweit ungebrochen. In den meisten Regionen der Welt ist Strom aus Wind und Sonne heute deutlich günstiger zu gewinnen als aus fossilen Quellen oder Atomenergie. Und der IPCC zeigt eine Vielzahl von kostensparenden Möglichkeiten zur Emissionssenkung auf.

Durch den Krieg Russlands gegen die Ukraine sind die Kosten insbesondere von Gas und Öl weiter gestiegen, Erneuerbare sind dadurch im Vergleich noch günstiger geworden. Genau an diesem Punkt sollte die G7, die in diesem Jahr unter deutscher Präsidentschaft steht, ansetzen. Christoph Bals: „Wir brauchen mehr Energiewendepartnerschaften der großen Industriestaaten mit Schwellen- und Entwicklungsländern. Es gilt zu verhindern, dass diese Staaten angesichts der hohen Gaspreise vermehrt in Kohle investieren. Dort sollte jetzt mit entsprechender Unterstützung großflächig in Energieeffizienz und eine erneuerbare Stromversorgung investiert werden. Außerdem geht es darum, insbesondere den Ärmsten dabei zu helfen, sich an die Folgen der Klimakrise anzupassen und nicht mehr vermeidbare Schäden zu bewältigen.“ Die Länder am Horn von Afrika und in Nordafrika sind derzeit massiv von Dürre und steigenden Getreidepreisen betroffen. Bals weiter: „Auch bei der Bewältigung der Ernährungskrise ist die Bundesregierung als G7-Präsidentschaft in den nächsten Wochen ganz besonders gefordert. Dies alles wäre im Übrigen auch ein wertvoller Beitrag zur Friedenssicherung: Beschleunigter Klimaschutz führt zu weniger Kundschaft für Gas- und Öl-Autokraten. Und Unterstützung für die Anpassung an die Klima- und Ernährungskrise hilft, arme Regionen zu stabilisieren.“

Hinweis für Redaktionen: Die Vorsitzende von Germanwatch, Silvie Kreibiehl, ist koordinierende Leitautorin des 6. Sachstandsberichts des Weltklimarats IPCC in der Arbeitsgruppe Investment and Finance. Germanwatch hat deshalb während der IPCC-Sitzung eine strikte Firewall zwischen ihr als Leitautorin und als Germanwatch-Vorsitzende aufgebaut. Silvie Kreibiehl war in der Meinungsfindung von Germanwatch zur Kommentierung des IPCC-Berichtes in keiner Weise eingebunden.

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Osterpaket: Befreiungsschlag für Erneuerbare Energien – doch für echten Klima-Aufbruch müssen noch Schritte folgen

Germanwatch sieht gute Basis für deutlich mehr Tempo beim Ausbau der Erneuerbaren – doch umfassendes Paket im Mai und Sommer muss noch Hürden beseitigen und Problemsektoren Gebäude und Verkehr angehen

Berlin (06. April 2022). Als Befreiungsschlag für die Erneuerbaren Energien bewertet Germanwatch das heute vorgestellte Osterpaket der Bundesregierung – schränkt aber ein, dass für einen echten Klima-Aufbruch noch weitere Schritte folgen müssen. Dies betrifft insbesondere die Energieeffizienz und das Energiesparen. „Das Osterpaket ist trotz einiger Schwächen ein Befreiungsschlag, um das Tempo für den Ausbau Erneuerbarer Energien massiv zu erhöhen“, sagt Christoph Bals, Politischer Geschäftsführer der Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch. „Für das gleichzeitige Erreichen der Ziele beim Klimaschutz und beim schnelleren Ausstieg aus der Gas-Abhängigkeit von Russland und anderen autoritär geführten Staaten benötigen wir allerdings einen ähnlichen Durchbruch bei Energiesparen und Energieeffizienz.“

Germanwatch begrüßt, dass mit dem Osterpaket die Treibhausgasneutralität stärker Eingang in die Stromnetzplanung findet und das deutsche Stromsystem bis 2030 auf 80 bzw. bis 2035 auf fast 100 Prozent Erneuerbare Energien umgestellt wird. Bals: “Die Klimaziele müssen jedoch auch bei der Gasnetzplanung berücksichtigt werden. Das ist derzeit noch nicht gesetzlich geregelt. Für einen noch schnelleren Ausbau der Erneuerbaren Energien sind außerdem weitere Maßnahmen wie eine Solardachpflicht für alle geeigneten Gebäude und eine Regelung für Energy Sharing notwendig. Nicht zuletzt gilt es, den Ausbau der Windenergie auf See mit einem naturschutzfachlichen Monitoring zu begleiten, um bei Bedarf den Ausbau anzupassen.“ Überdies sollte die Planung sowie die Anbindung von Windparks auf See künftig stärker europäisch geplant werden. “Ergänzt werden muss das Paket noch um eine klare und ambitionierte europäische Einbettung”, so Bals. „Die Umsetzung des derzeit verhandelten Fit-For-55-Pakets der EU bietet dazu die Gelegenheit.“

Um Deutschland mit dem notwendigen Dreiklang – Energie und Rohstoffe sparen, Effizienz, Erneuerbare – auf einen Kurs zu einem 1,5 Grad-Pfad zu bringen, sollte die Bundesregierung jetzt mit einem umfangreichen Paket – zum großen Teil schon im Mai – nachlegen. “Im Folgepaket müssen für die Problemsektoren Gebäude und Verkehr stringente Klimaschutzinstrumente gesetzlich fixiert werden und die letzten Hürden für den Erneuerbaren-Turbo aus dem Weg geräumt werden. “Energieverbrauch reduzieren und auf Erneuerbare umstellen” lautet auch hier die Devise. Im Verkehrsbereich bedeutet dies vor allem eine massive Verlagerung von PKW-Verkehr und Kurzstreckenflügen auf die Schiene. Bei Gebäuden sollte das Prinzip „Worst First“ gelten: Um eine beschleunigte Wärmewende weg von fossilen Brennstoffen zu organisieren, muss der älteste Gebäudebestand in Deutschland in Serie saniert und mit Wärmepumpen ausgestattet werden. Dafür brauchen wir auch eine konsequente Ausbildungs-Offensive im Handwerk”, betont Christoph Bals.

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Referent für deutsche Klimapolitik
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IPCC-Report: Nachhaltige Wirtschaft fordert echte Konsequenz beim Klimaschutz

Berlin, 04.04.22: Der Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft e.V. (BNW) fordert anlässlich der Veröffentlichung des Sachstandsberichts des Weltklimarats IPCC konsequente Maßnahmen zur Bewältigung der Klimakrise. Der dritte Teil des Berichts befasst sich mit den Handlungsoptionen, um die Klimakrise abzuwenden. Dabei wird deutlich: Die Politik muss jetzt schnell alles dafür tun, um Emissionen zu reduzieren.

„Die globale Erderhitzung darf 1,5 Grad Celsius nicht überschreiten. Dafür müssen wir jetzt konsequent und radikal handeln – vor allem wir als Industrieland“, sagt Dr. Katharina Reuter, Geschäftsführerin des BNW. Staaten müssen jetzt drastisch ihre Emissionen senken: allen voran die Industrieländer, die eine besondere historische Verantwortung tragen. „Klimaschutz ist purer Eigennutz – das erkennen auch immer mehr Unternehmen. Die Bundesregierung muss jetzt dafür sorgen, dass sich Klimaschutz auch rechnet, unter anderem mit einem Abbauplan klimaschädlicher Subventionen“, appelliert Reuter weiter. Denn noch immer fließen allein in Deutsch-land jährlich 60 Milliarden Euro in steuerliche Begünstigungen für Kerosin, Diesel- und Dienstwagenprivilegien. „Angesichts des IPCC-Berichts ist es absurd, dass sich Deutschland im Jahr 2022 noch Subventionen leistet, die dem Klima schaden“, unterstreicht Reuter.

Der IPCC-Report zeigt: Noch besteht die Möglichkeit, die Klimakrise abzuwenden. Der Schlüssel liegt in der deutlichen Erhöhung der Klimaschutzanstrengungen. „Wir stehen an einem historischen Scheideweg. Die Bundesregierung muss mit aller Kraft die sozial-ökologische Transformation der Wirtschaft vorantreiben. Denn diese Transformation schützt nicht nur das Klima, sondern schafft auch zukunftssichere Arbeitsplätze und sichert den Wirtschaftsstandort Deutschland“, sagt Reuter.

BNW fordert konsequente Wärme-, Energie- und Verkehrswende

Der IPCC-Report sowie der russische Angriffskrieg auf die Ukraine und seine ökonomischen Folgen führen uns vor Augen: Um krisenresilient zu werden, müssen wir uns von fossilen Energieträgern verabschieden. Deutschland braucht dafür jetzt auch schnelle Erfolge im Bereich der Energieeffizienz und des Energiesparens. Und: „Die Bundesregierung muss endlich eine echte Verkehrswende einleiten. Die im Koalitionsvertrag beschriebenen Maßnahmen reichen bisher nicht aus, um die CO2-Emissionen im Verkehrssektor konsequent zu mindern“ so Reuter.

Die Bundesregierung veröffentlicht in diesem Jahr ihr Klimaschutzsofortprogramm, die anstehenden Oster- und Sommerpakete sollen dabei wirksame Lösungen hervorbringen. „Leider ist Deutschland noch weit vom gesetzlich vorgeschriebenen 1,5 Grad-Pfad entfernt. Die Bundesregierung muss jetzt liefern, die Abhängigkeit von Öl, Kohle und Gas schnellstmöglich beenden und den Weg freimachen für den massiven Ausbau der erneuerbaren Energien“, betont die BNW-Geschäftsführerin.

Pressekontakt:
Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft e.V.
Dr. Katharina Reuter, Geschäftsführerin
reuter@bnw-bundesverband.de
+49 178 448 19 91

Agentur Ahnen&Enkel
Kai Weller
weller@ahnenenkel.com

Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft (BNW e.V.)
Der Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft e.V. (BNW) ist die politische Stimme der nachhaltigen Wirtschaft und setzt sich als unabhängiger Unternehmensverband für den Umwelt- und Klimaschutz ein. Mit seinen 540 Mitgliedsunternehmen steht der BNW inzwischen für mehr als 120.000 Arbeitsplätze.
www.bnw-bundesverband.de




foodwatch vor Agrarministerkonferenz: “Brauchen nicht mehr industrielle Landwirtschaft, sondern weniger Nutztierhaltung und weniger Bio-Sprit”

Pressestatement

foodwatch vor Agrarministerkonferenz: “Brauchen nicht mehr industrielle Landwirtschaft, sondern weniger Nutztierhaltung und weniger Bio-Sprit”

Berlin, 29. März 2022. Vor der Agrarministerkonferenz am Mittwoch kritisierte die Verbraucherorganisation foodwatch die Debatte um Lebensmittelknappheit als Folge des Ukraine-Kriegs als Irreführung der Öffentlichkeit. Bundesagrarminister Cem Özdemir und seine Amtskolleg:innen der Bundesländer dürften jetzt nicht unter dem Vorwand des Ukraine-Krieges Klima- und Umweltschutzauflagen in der Landwirtschaft beschneiden, erklärte Jörg Rohwedder, Geschäftsführer von foodwatch International:

„Es ist verlogen, wie die Agrarindustrie in Deutschland jetzt angeblich ihr Herz für die Hungernden in der Welt entdeckt. Seit Jahren steigen die Zahlen hungernder Menschen weltweit wieder an – ohne, dass Bauernverband oder Agrarpolitiker:innen angemessen reagiert hätten. Die Landwirtschaftsbetriebe in Deutschland produzieren nicht etwa Getreide für die Ärmsten der Armen, sondern vor allem Fleisch und Milchprodukte für die EU und Schwellenländer mit hohem oder mittlerem Einkommen. Nur zwei Prozent der deutschen Agrarexporte gehen nach Afrika, gerade einmal 0,5 Prozent an die 47 am wenigsten entwickelten Länder. Die Wahrheit ist: Der deutschen Agrarwirtschaft geht es vor allem um eigene Gewinninteressen – und dafür braucht sie günstige Futtermittel.

Die Agrarindustrie nutzt den Ukraine-Krieg, um Klimaschutz- und Umweltschutzvorgaben auszuhöhlen. Unter dem Vorwand, den Hunger in der Welt zu bekämpfen, sollen Ökoflächen wieder intensiv bewirtschaftet werden oder der Einsatz von Pestiziden länger erlaubt sein. Doch 60 Prozent der Agrarfläche in Deutschland werden für den Anbau von Tierfutter blockiert, hinzu kommen massive Futtermittelimporte aus der ganzen Welt.
Die landwirtschaftliche Produktion würde auch dieses Jahr ausreichen, um alle Menschen der Welt zu ernähren. Hunger gibt es nicht, weil wir zu wenig produzieren, sondern weil wir das Falsche produzieren und es schlecht verteilen. Nicht einmal die Hälfte des weltweit angebauten Getreides wird direkt als Lebensmittel genutzt, der Großteil wird im reichen globalen Norden als Tierfutter verwendet und zu Treibstoff oder anderen Industrieprodukten verarbeitet. Cem Özdemir und seine Amtskolleg:innen in den Bundesländern dürfen nicht auf die Lobby-Einflüsterungen der Agrarindustrie eingehen: Um Hunger und Lebensmittelknappheit zu bekämpfen, brauchen wir nicht mehr industrielle Landwirtschaft, sondern weniger Nutztierhaltung und weniger Bio-Sprit!“

Quellen und weiterführende Hinweise:

  • Die Zahl der Hungernden weltweit steigt seit 2015 wieder an. Nach Angaben der Welternährungsorganisation waren 2020 weltweit 720 bis 811 Millionen Menschen unterernährt – jeder Zehnte. (Quelle: https://www.weltagrarbericht.de/themen-des-weltagrarberichts/hunger-im-ueberfluss.html
  • Die landwirtschaftliche Produktion würde ausreichen, um alle Menschen der Welt zu ernähren. Die Kalorienmenge, die jedem Menschen täglich zur Verfügung steht, stieg von 2.716 Kilokalorien (kcal) zur Jahrtausendwende auf 2.908 kcal in den Jahren 2016-2018. Selbst in Subsahara-Afrika stehen rechnerisch 2.386 kcal zur Verfügung, in Nordamerika und Europa sind es 3.502 kcal am Tag. (Quelle: Global Report on Food Crises 2019. Food Security Information Network, 2019; https://www.weltagrarbericht.de/fileadmin/files/weltagrarbericht/Weltagrarbericht/02Hunger/2019GRFCAbridged.pdf)
  • Von 2014 an war die Weltgetreideproduktion jedes Jahr höher als 2.600 Millionen Tonnen. Das waren jeweils etwa 15 Prozent oder 300 Millionen Tonnen mehr als die Ernte 2012 mit 2.305 Millionen Tonnen. Trotzdem wurden z.B. 2017 nur 43 Prozent des verwendeten Getreides (2,614 Milliarden Tonnen) direkt als Lebensmittel genutzt, 36 Prozent wurde als Tierfutter verwendet und der Rest zu Treibstoff oder anderen Industrieprodukten verarbeitet. (Quellen: FAO Food and Security Indicators. Food and Agriculture Organization, Oktober 2019 sowie https://www.fao.org/worldfoodsituation/csdb/en/
  • Rund neun Zehntel der wertmäßigen deutschen Agrarexporte gehen in entwickelte Volkswirtschaften mit hohem Einkommen; im Jahr 2017 wurden nur 2,0 Prozent der deutschen Agrarexporte nach Afrika und lediglich 1,3 Prozent in die Länder Sub-Sahara-Afrikas ausgeführt. Nur 0,5 Prozent der deutschen Agrarexporte gingen in die am wenigsten entwickelten Länder (LDC). (Quelle: BMEL https://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/DE/Broschueren/Agrarexporte-verstehen.pdf?__blob=publicationFile&v=6)

Pressekontakt:

foodwatch e.V.
Andreas Winkler
E-Mail: presse@foodwatch.de
Tel.: +49 (0)174 / 375 16 89




Zurück zu den Wurzeln

PRESSEMITTEILUNG

8. ECOVIN Jungwinzer*innen-Tagung rückt Boden in den Fokus

2021 digital, diesmal live in Neustadt an der Weinstraße: Mehr als 50 Teilnehmer*innen trafen sich vom 18. bis 20. März 2022 zur ECOVIN Jungwinzer*innen-Tagung rund um das Thema Boden. „Im Bioweinbau spielt ein gesundes Bodenleben seit jeher eine zentrale Rolle, es ist die Grundlage für unser Wirtschaften mit der Natur und charakterstarke Weine. Diese Botschaft möchten wir angehenden Winzer*innen mit auf den Weg geben“, sagte ECOVIN Geschäftsführerin Petra Neuber zur Eröffnung der Tagung.

Was in der Online-Tagung im Vorjahr nur theoretisch erörtert werden konnte, erfuhr in Neustadt praktische Erprobung. Herzstück des Treffens bildeten interaktive Vorträge, Praxisworkshops und haptische Erfahrungen. Ein Impulsvortrag am Freitagabend zur Rhizosphäre der Reben stimmte die Teilnehmenden auf die Workshops am Samstag ein.

Hier konnten die Tagungsgäste zwei von drei parallelen Arbeitsgruppen wählen. Der Workshop des Bodenberaters Dr. Manfred Schulte-Karring drehte sich rund um die Bodenstruktur, ihre Analyse und Verbesserung. In einem Riesling-Weinberg des ECOVIN Weinguts Platz legten die Teilnehmer*innen Bodenprofile frei, ermittelten pH-Wert und Kalkanteile, diskutierten Techniken der mechanischen Bodenbearbeitung sowie den Einsatz von Komposten und Pflanzenkohle.

Die Pflanzenkohle stand im Mittelpunkt der Arbeitsgruppe von Prof. Claudia Kammann von der Hochschule Geisenheim. Wie wirkt Pflanzenkohle im Boden, wie wird sie hergestellt, welchen Beitrag leistet sie zum Klimaschutz? Höhepunkt der Workshops war die eigene Herstellung von Pflanzenkohle im so genannten Kon-Tiki, einem Pyrolyseofen, im Weingut Schäffer.

Ein dritter Workshop diskutierte die Potenziale von Agroforstsystemen im Weinbau. Nicolas Haack von Triebwerk und Lukas Mischnick von der Demeter Beratung stellten Praxisbeispiele vor, in denen schon heute Obst- und Nussbäume zwischen und neben Weinreben wachsen. Die Vorteile liegen auf der Hand: u.a. werden die Ernterisiken einer Fläche gestreut, die Artenvielfalt erhöht, die CO2-Bilanz verbessert. Dennoch sahen die Workshop-Teilnehmenden auch Hemmnisse wie eine schwierige Mechanisierung von Agroforstsystemen.

Am Samstagabend konnten die Teilnehmer*innen in einer Sensorikschulung den Einfluss des Bodens auf den Wein erforschen. Martin Darting von WINE SYSTEM moderierte drei Doppelproben, die unterschiedliche Weinlagen und -stile miteinander verglich. Vorläufiges Ergebnis: Der Ausbau im Keller und das Klima prägen einen Wein viel stärker als der Boden, auf dem die Trauben gewachsen sind.

Der Tagungssonntag weitete den Blick vom Boden hin zum System Ökoweinbau und seine Leistungen für eine nachhaltige Entwicklung. Christian Hiss von der Regionalwert AG forderte, bislang nicht bepreiste Leistungen des Ökoweinbaus für Umwelt, Gesellschaft und regionale Wirtschaft einen Wert zu geben, damit sich echte Nachhaltigkeit messen lässt.

Die Teilnehmer*innen der 8. Jungwinzer*innen-Tagung meldeten Begeisterung an das Organisationsteam zurück: „Ich habe jede Menge Ideen und Impulse mitgenommen, die ich gerne schrittweise in unserem Weingut umsetzen würde“, sagte eine Pfälzer Winzerin in Betriebsgründung. „Bitte im nächsten Jahr wieder! Wir brauchen diese Art von Laboratorium, um Neues auszuprobieren und den Weinbau über das Etablierte hinaus weiter zu denken“, kommentierte ein Teilnehmer von der Mosel.

Weil nach der 8. vor der 9. ECOVIN Jungwinzer*innen-Tagung ist, traf sich das Organisationsteam gleich noch in Neustadt, um die 2022er Tagung auszuwerten und erste Ideen für 2023 zu spinnen.

Der Bundesverband Ökologischer Weinbau und das Organisationsteam bedanken sich für die Förderung der Tagung beim Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie und Mobilität Rheinland-Pfalz sowie bei allen Sponsoren: 2B FermControl, BioFa AG, Braun Maschinenbau GmbH, Das Deutsche Weinmagazin/Fachverlag Dr. Fraund, Deutscher Kork-Verband e.V., Erbslöh Geisenheim GmbH, Ernst Moeschle Behälterbau GmbH, Richard Wagner GmbH + Co. KG, Verein Ehemaliger Geisenheimer e.V. (VEG), Verein Ehemaliger Rheinhessischer Fachschüler Oppenheim e.V. (VEO).

Die Veranstaltung wurde gefördert aus Mitteln des Landes Rheinland-Pfalz.

Druckfähige Fotos von der Tagung versenden wir gerne auf Anfrage.

Zahl der Anschläge (inklusive Leerzeichen): 4.232

ECOVIN Bundesverband Ökologischer Weinbau e. V.
Petra Neuber | Geschäftsführerin
Wormser Straße 162
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