Zwischen Recht und Realität. Neue SÜDWIND-Studie zu Vereinigungsfreiheit und Kollektivverhandlungen

Bonn, 09.11.2017: Vor fast 70 Jahren wurde das internationale Arbeitsrecht um zwei zentrale Abkommen zur Vereinigungsfreiheit und zum Recht auf Kollektivverhandlungen erweitert, zwei Abkommen, ohne deren Umsetzung menschenwürdige Arbeitsbedingungen nicht durchgesetzt werden können.

Das Übereinkommen über die Vereinigungsfreiheit und den Schutz des Vereinigungsrechts (Nr. 87 von 1948) und das Übereinkommen über die Anwendung der Grundsätze des Vereinigungsrechtes und des Rechtes zu Kollektivverhandlungen (Nr. 98 von 1949) wurden zwar von vielen ILO-Mitgliedsstaaten im Laufe der letzten Dekaden ratifiziert. Allerdings zählen wichtige Wirtschaftsnationen wie China oder die USA zu den ILO-Mitgliedern, die diese Übereinkommen nach wie vor nicht ratifiziert haben. Außerdem gehören Staaten wie China und Bangladesch, in denen diese Rechte massiv verletzt werden, zu den wichtigsten Lieferanten von Bekleidung für den europäischen Markt.
Die vorliegende Studie führt in die Entstehung und Inhalte dieser zwei Kernarbeitsnormen Nr. 87 und Nr. 98 ein und erläutert das Aufsichtssystem, mit dem die ILO die Einhaltung dieser Übereinkommen überprüft.
Am Beispiel von China und Bangladesch stellt die Studie dar, wie heute, fast 70 Jahre nach der Annahme der Übereinkommen, die Verankerung von Vereinigungsfreiheit und Kollektivverhandlungen im nationalen Recht aussieht und wie sie sich in der Realität gestaltet.
„In beiden Ländern existieren eklatante Mängel in der Umsetzung der Übereinkommen“, so die Autorin der Studie, SÜDWIND-Mitarbeiterin Sabine Ferenschild. „In China haben Beschäftigte überhaupt kein Recht auf die Gründung oder die Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft ihrer Wahl. In Bangladesch ist dieses Recht zwar vorhanden, aber durch die nationale Gesetzgebung mit hohen Hürden belegt. Dadurch werden diese beiden Länder zu Hoch-Risikoländern für Beschäftigte.“
Vor dem Hintergrund, dass immer noch nicht alle Mitgliedsstaaten der ILO die Kernarbeitsnormen Nr. 87 und Nr. 98 ratifiziert haben, formuliert die Studie als eine abschließende Forderung, dass die ILO eine Offensive zu weiteren Ratifizierungen dieser wichtigen Übereinkommen anstrengen muss. Die Autorin betont aber auch, „dass im Rahmen der Umsetzung unternehmerischer Sorgfaltspflichten zur Aufgabe von Unternehmen gehört, die Umsetzung der Rechte auf Vereinigungsfreiheit und Kollektivverhandlungen in den Zulieferbetrieben zu einem Kriterium für die Auftragsvergabe zu machen.“
Ergänzt wird die Studie durch ein Ende November erscheinendes vierseitiges Fact Sheet, das die Inhalte der Studie knapp zusammenfasst.

Die Studie, die von Engagement Global im Auftrag des BMZ und von der Stiftung Umwelt und Entwicklung Nordrhein-Westfalen gefördert wurde, ist Teil von insgesamt sechs Studien zur Internationalen Arbeitsorganisation, die SÜDWIND in diesem und im nächsten Jahr vorlegen wird.
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Ansprechpartnerin:
Dr. Sabine Ferenschild
Telefon: 0228- 763698-16
E-Mail: ferenschild@suedwind-institut.de
SÜDWIND e.V. – Institut für Ökonomie und Ökumene
Kaiserstraße 201, 53113 Bonn
Tel.: +49 (0)228-763698-14
info(at)suedwind-institut.de
www.suedwind-institut.de




Neue Studie erschienen: „Zwei Paar Schuhe? – Indonesische Lederschuhproduktion und Arbeitsrechte“

Pressemitteilung

Bonn/Berlin, 01. März 2017: Will man wissen, unter welchen sozialen und ökologischen Bedingungen unsere Lederschuhe hergestellt werden, lohnt sich ein Blick nach Indonesien. Das Land ist mit rund 1 Mrd. Paar Schuhen bzw. einem Weltmarktanteil von 4,4 % der viertgrößte Schuhproduzent nach China, Indien und Vietnam. Die Arbeitsbedingungen im indonesischen Schuh- und Ledersektor lassen jedoch zu wünschen übrig, und das trotz bemerkenswerter arbeitsrechtlicher Errungenschaften und weitreichender gesetzlicher Bestimmungen. Das sind die Ergebnisse einer heute erschienenen Studie von SÜDWIND und INKOTA.

In der Studie wird gezeigt, dass extrem niedrige Löhne, fehlende Gewerkschaften bzw. eine massive Einschränkung der Versammlungsfreiheit, nicht gezahlte Sozialversicherungsbeiträge und Bestrafungen von ArbeiterInnen keine Seltenheit sind. Dabei sticht insbesondere die prekäre und rechtlose Situation der HeimarbeiterInnen ins Auge. Sie verfügen weder über Arbeitsverträge noch eine Sozialversicherung. Sie arbeiten zudem zu Löhnen, die nur einen Bruchteil des lokalen Mindestlohns ausmachen. „Es hat sich gezeigt, dass die Arbeitsbedingungen in der gesamten indonesischen Leder- und Schuhindustrie in Indonesien dringend verbessert werden müssen“, so Anton Pieper von SÜDWIND, einer der AutorInnen der Studie.

Die Studie basiert auf Befragungen, die vom Change Your Shoes-Partner TURC (Trade Union Rights Centre) in den Jahren 2015 und 2016 durchgeführt wurden. Interviewt wurden ArbeiterInnen aus Fabriken, die u. a. für die europäischen Markenunternehmen Ara, Deichmann und Ecco Lederschuhe herstellen.

„Die Aussagen der ArbeiterInnen widersprechen in vielen Fällen denen der Unternehmen, die auf die hohen arbeitsrechtlichen Standards ihrer Verhaltenskodizes und CSR-Initiativen verweisen“ so Nora Große von INKOTA.
Die HerausgeberInnen fordern, dass Unternehmen endlich ihre Hausaufgaben machen und Verantwortung übernehmen. „Verhaltenskodizes und CSR-Initiativen sind nur dann nachhaltig, wenn sich die Verantwortlichen ernsthaft und konsequent für die Einhaltung und Durchsetzung der grundlegenden Menschen- und Arbeitsrechte entlang der gesamten Wertschöpfungskette einsetzen“, so Pieper weiter.

Studie und Fact Sheet stehen gedruckt und zum Download (Studie | Fact Sheet) zur Verfügung.

Kontakt:

Anton Pieper, SÜDWIND, Tel.: +49 (0)228-76 36 98-18, E-Mail: pieper@suedwind-institut.de

Nora Große, INKOTA-netzwerk, Tel.: +49 (0)30-4208202-53, E-Mail: grosse@inkota.de

Change Your Shoes ist eine Initiative von 18 Menschenrechts- und Arbeitsrechtsorganisationen, die sich für eine nachhaltige und ethische Schuhlieferkette einsetzen. Indem die Kampagne KonsumentInnen für einen nachhaltigen Lebensstil sensibilisiert, Lobbyarbeit bei PolitikerInnen und Labelorganisationen leistet und Unternehmen drängt, ihre Sorgfaltspflichten wahrzunehmen, zielt sie darauf ab, soziale und ökologische Bedingungen in der Schuh- und Lederindustrie zu verbessern. Das Projekt wird von der Europäischen Union finanziell unterstützt sowie von Mitteln des Kirchlichen Entwicklungsdienstes durch Brot für die Welt und von Engagement Global im Auftrag des BMZ. Für den Inhalt sind die Herausgebenden allein verantwortlich.