Glyphosat-Ausstieg jetzt! – Naturland fordert klares Votum von Bundesminister Schmidt im Europäischen Rat

Pressemitteilung, 24.10.2017

Gräfelfing – Nach dem klaren Votum des Europäischen Parlaments für einen endgültigen Glyphosat-Ausstieg muss jetzt auch das Bundeslandwirtschaftsministerium seinen Widerstand gegen ein Verbot des Ackergifts aufgeben. „Die Zeit ist reif, das Totalherbizid endlich komplett aus dem Verkehr zu ziehen. Das muss nun auch Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt einsehen“, sagte Naturland Präsident Hubert Heigl am Dienstag in Gräfelfing. Heigl fordert den Bundesminister auf, bei der Abstimmung am Mittwoch im Europäischen Rat ebenfalls klar für den Ausstieg zu votieren.

„Christian Schmidt muss jetzt endlich Farbe bekennen. Die Bundesregierung darf den Ausstieg nicht noch einmal durch ihre Enthaltung blockieren, sondern muss sich an die Seite von Frankreich, Italien und der Mehrheit der EU-Mitgliedsstaaten stellen, die alle für einen Ausstieg sind“, forderte der Naturland Präsident. Die jüngsten Enthüllungen im Zusammenhang mit den sogenannten Monsanto-Papers zeigten klar und deutlich, wie die Gefahren des Ackergifts vom Hersteller über Jahrzehnte hinweg systematisch ignoriert und kleingeredet wurden – und das mithilfe zum Teil unlauterer Praktiken.

„Es wird Zeit, dass Europa die kritischen Einwände und Enthüllungen endlich ernst nimmt und Glyphosat verbietet“, unterstrich Heigl: „Dass erfolgreicher Ackerbau auch ohne Ackergifte möglich ist, beweist der Öko-Landbau seit Jahrzehnten. Für ein effektives Unkrautmanagement brauche es stattdessen Vielfalt in der Fruchtfolge, eine intelligente Verteilung der Kulturen und den Einsatz modernster Technik in der mechanischen Bodenbearbeitung“, sagte der Naturland Präsident.

Zivilgesellschaft und Wissenschaft fordern Ausstieg

Der Streit über eine erneute Zulassung von Glyphosat schwelt seit rund zwei Jahren; die bisherige Genehmigung läuft Ende 2017 aus. Kritische Wissenschaftler fordern schon lange ein Verbot des Wirkstoffs, den die internationale Agentur für Krebsforschungsagentur der Weltgesundheitsbehörde WHO (IARC) als „wahrscheinlich krebserregend für den Menschen“ eingestuft hat. Auch über 1,3 Millionen EU-Bürger haben in einer Europäische Bürgerinitiative ein Verbot von Glyphosat gefordert. Dennoch war das Verbot im vergangenen Jahr mehrfach im Europäischen Rat gescheitert, unter anderem wegen der unklaren Haltung Deutschlands.

Am Dienstag nun hat auch das Europäische Parlament mit großer Mehrheit verlangt, die Zulassung für Glyphosat innerhalb der nächsten fünf Jahre auslaufen zu lassen. Die Parlamentarier stellten zudem eine Übergangsregelung in Aussicht, um konventionellen Landwirten die Umstellung auf nachhaltigere Alternativen zu erleichtern.

Markus Fadl
Pressesprecher

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Ernährungsminister Schmidt täuscht Öffentlichkeit mit Falschaussage zur Zuckerabgabe

Pressemitteilung

– Erfahrungen aus anderen Ländern belegen Lenkungsfunktion einer Zuckerabgabe
– WHO für Steuern, um Zuckerkonsum zu senken und Rezepturänderungen zu erreichen
– Ernährungsbildung alleine ist keine geeignete Maßnahme gegen Übergewicht

Berlin, 29. August 2016. Bundesernährungsminister Christian Schmidt hat Forderungen nach einer Herstellerabgabe für besonders zuckerhaltige Getränke zurückgewiesen – seine Absage allerdings mit einer Falschaussage begründet. Anders als von Herrn Schmidt dargestellt, haben Lebensmittelsteuern in anderen Ländern nachweisbare Lenkungswirkungen entfaltet. “Der Zusammenhang zwischen dem Konsum zuckergesüßter Getränke und Adipositas, Diabetes und anderen Krankheiten ist klar belegt. Der Minister muss offenbar schon die Öffentlichkeit täuschen um zu rechtfertigen, warum er ein entschlossenes Handeln ablehnt”, kritisierte Oliver Huizinga von foodwatch. “Ein Kuschelkurs mit der Lebensmittelwirtschaft ist hier fehl am Platz, denn von allein wird sie ihr überzuckertes Getränke-Angebot sicher nicht wesentlich verbessern.”

Christian Schmidt: “Steuern” erzielen nicht die erwünschte Wirkung

“Die Einführung von Strafsteuern auf Lebensmittel ist der falsche Weg. Erfahrungen in anderen EU-Ländern zeigen, dass dies in aller Regel nicht die gewünschte Lenkungswirkung hat”, hatte Ernährungsminister Schmidt am vergangenen Mittwoch gegenüber der Deutschen Presseagentur (dpa) gesagt. Anlass war die Veröffentlichung einer foodwatch-Marktstudie, der zufolge 274 (59 Prozent) von 463 untersuchten “Erfrischungsgetränken” überzuckert sind. Neben foodwatch fordern u.a. der Bundesverband der Kinder- und Jugendärzte, die Deutsche Diabetesgesellschaft sowie Gesundheitspolitiker von CDU und SPD eine Hersteller-Abgabe für besonders zuckerhaltige Getränke, wie sie ab 2018 in Großbritannien vorgesehen ist.

Richtig ist: Erfahrungen aus anderen Ländern, die solche Maßnahmen bereits ergriffen haben, belegen den Einfluss auf das Einkaufsverhalten. In Mexiko, aber auch in Finnland und Frankreich, ging der Zuckergetränke-Konsum nach Einführung einer Steuer zurück. In Dänemark führte eine Steuer auf gesättigte Fette zu einem Verkaufsrückgang der betroffenen Lebensmittel um bis zu 15 Prozent. In Ungarn änderten zudem 40 Prozent der Hersteller nach Einführung einer Zuckersteuer ihre Rezepturen: 30 Prozent von ihnen entfernten die besteuerte Zutat komplett, 70 Prozent verringerten den Anteil. Folgerichtig empfiehlt die Weltgesundheitsorganisation in dem aktuellen Maßnahmenplan der Kommission “Ending Childhood Obesity” (ECHO) explizit Steuern auf Zuckergetränke.

“Anders als von Bundesminister Schmidt unterstellt, geht es bei der britischen Hersteller-Abgabe in erster Linie nicht um eine ‚Lenkungswirkung‘ für die Verbraucher, sondern eine ‚Lenkungswirkung‘ für die Industrie. Sie hat das Ziel, die Hersteller zu Zuckersenkungen zu bewegen. Daher hat die britische Regierung zwischen Ankündigung und Einführung einen Zwei-Jahres-Zeitraum gelassen”, so Oliver Huizinga von foodwatch. “Ernährungsminister Schmidt hat das Thema verfehlt.”

Minister Christian Schmidt hatte seinen Ansatz laut dpa so erklärt: “Mein Ziel ist es, die Menschen von einem gesunden Lebensstil zu überzeugen. (…) Deshalb setze ich auf Transparenz, Information und Ernährungsbildung, am besten als eigenes Schulfach.” Bereits im September 2015 hatte Herr Schmidt zudem in einem Gastbeitrag für den Tagesspiegel geschrieben: “…wir können diese Probleme nicht mit Gesetzen und Verboten lösen. Stattdessen ist Bildung und ein hohes Maß an Transparenz für einen gesunden Lebensstil und eine gesunde Ernährungsweise wichtig. Für beides sorge ich.”

Richtig ist jedoch, dass die Bundesregierung bereits seit vielen Jahren auf Ernährungsbildung setzt – und es damit nicht geschafft hat, den Konsum stark gezuckerter Lebensmittel einzudämmen. “Herr Schmidt ist auf dem Holzweg. Solange Süßigkeiten mit Comicfiguren und Fußballprofis beworben werden und das Angebot an Erfrischungsgetränken hauptsächlich aus Zuckerbomben besteht, kann ein Unterrichtsfach Ernährung allein die Fettleibigkeits- und Diabetes-Epidemie unmöglich bekämpfen. Das zeigen die Erfahrungen aus den vergangenen Jahrzehnten”, so Oliver Huizinga von foodwatch.

Mit gutem Grund formuliere die WHO in ihrem aktuellen Maßnahmenplan drei Kernforderungen: Steuern oder Abgaben auf Zuckergetränke, Beschränkungen der an Kinder gerichteten Werbung, verbraucherfreundliche Kennzeichnung der Nährwerte. Forderungen, die nicht nur von foodwatch unterstützt werden.

Link:

– foodwatch-Marktstudie zum Download: tinyurl.com/getraenke-studie

Quellen und weiterführende Informationen:

– Zitate von Bundesernährungsminister Christian Schmidt: dpa am 24.8.2016 “Zusammenfassung 1600 (…) Sehr süße Getränke – Foodwatch will Zucker-Abgabe für Hersteller
– Gastbeitrag von Bundesminister Christian Schmidt auf tagesspiegel.de vom 14.9.2015:tagesspiegel.de/wirtschaft/bundesernaehrungsminister-zu-werbeverboten-totalverbote-sind-verfassungsrechtlich-bedenklich/12312050.html
– Statements der WHO-Kommission “ECHO” zur Zuckersteuer (S. 18):apps.who.int/iris/bitstream/10665/204176/1/9789241510066_eng.pdf
– Studie zur Wirkung der Zuckersteuer in Mexiko: bmj.com/content/352/bmj.h6704
– Bewertung der Zuckersteuer durch das mexikanische Gesundheitsministerium: insp.mx/epppo/blog/4063-tax-sugar-sweetened-beverages.html
– Analyse der WHO (Europa) zur Lenkungswirkung von Lebensmittelsteuern in Dänemark, Finnland, Ungarn und Frankreich: euro.who.int/__data/assets/pdf_file/0008/273662/Using-price-policies-to-promote-healthier-diets.pdf
– Bewertung der Lebensmittelsteuer in Ungarn durch die WHO: euro.who.int/__data/assets/pdf_file/0004/287095/Good-practice-brief-public-health-product-tax-in-hungary.pdf?ua=1
– Infos zur britischen Hersteller-Abgabe für Zuckergetränke: tinyurl.com/jutpbh8
– Strategiepapier der Deutschen Allianz Nichtübertragbare Krankheiten: dkfz.de/de/krebspraevention/Downloads/150612_DANK-Strategiepapier.pdf
– Ärzte fordern gesetzliche Maßnahmen gegen überzuckerte Lebensmittel: aerzteblatt.de/nachrichten/70180

Pressekontakt:

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Dario Sarmadi
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