CETA: Ratifizierung stoppen – Keine Sonderklagerechte für Konzerne

Pressemitteilung
Berlin, 7.7.2022

Protestaktion auf der Reichstagswiese

Mit einer Banner-Aktion hat ein breites gesellschaftliches Bündnis auf die erste Lesung des CETA-Ratifizierungsgesetzes der Ampelkoalition im Bundestag am heutigen Donnerstag aufmerksam gemacht.

CETA wird nach der Ratifizierung auf der EU-Ebene bereits seit September 2017 in großen Teilen vorläufig angewendet. Ausgenommen davon sind der Investitionsschutz und die Schiedsgerichte. Diese Teile treten erst in Kraft, wenn die nationalen Parlamente über die Ratifizierung abgestimmt haben. In zwölf Mitgliedstaaten der Europäischen Union, darunter die Bundesrepublik Deutschland, ist Ratifikation noch nicht abgeschlossen.

Ludwig Essig, Handelsexperte Umweltinstitut München, Koordination Netzwerk gerechter Welthandel: “Alle handelsrelevanten Bereiche des Abkommens sind seit fünf Jahren aktiv. Die Ratifizierung wäre damit ein klares Bekenntnis zu den privaten Schiedsgerichten. Gerade in Zeiten von Energie- und Klimakrise müssen Regierungen handlungsfähig bleiben. Paralleljustizen mit Sonderklagerechten für Großinvestoren stehen dem Klimaschutz, dem Verbraucherschutz und der Demokratie im Weg.”

Margot Rieger, Lokale freihandelskritische Bündnisse und Initiativen: “CETA stellt Handelsinteressen über den Klimaschutz. Klima- und andere Nachhaltigkeitsziele sind bei CETA nicht sanktionsbewehrt.”

Anne Bundschuh, Referentin für Handels- und Investitionspolitik bei PowerShift e.V.: “Mit CETA sollen neue Standards für faire Handelsabkommen gesetzt werden. Weitreichende Sonderrechte für Konzerne sind damit keinesfalls vereinbar! Dass ein Ausstieg aus diesem gefährlichen Instrument möglich ist, hat Kanada selbst vorgemacht: Das 2018 überarbeitete Nordamerikanische Freihandelsabkommen sieht keine Konzernklagerechte zwischen Kanada und den USA mehr vor.”

Felix Kolb, Geschäftsführender Vorstand bei Campact: “Das Vorgehen der Bundesregierung beim Freihandelsabkommen CETA ist inakzeptabel. In einer unnötigen Hauruck-Aktion wurde der Ratifizierungsprozess wieder aufgenommen. Damit wurde die Zivilgesellschaft und deren Kritik bewusst am Straßenrand stehen gelassen. Dafür sind die Tragweite und Gefahren des Abkommens aber viel zu groß. Anstatt CETA dem Bundestag noch vor der Sommerpause vorzulegen, sollte die Bundesregierung die sitzungsfreie Zeit lieber nutzen – um den kritischen Dialog aufzunehmen und Inhalte nachzubessern.”

Lis Cunha, Handelsexpertin bei Greenpeace e.V.: “Wir sind nicht generell gegen einen Handel mit Kanada. Wir wollen ihn nur fair und nach demokratischen Leitsätzen. Private Schiedsgerichte für ausländische Konzerne sind damit nicht vereinbar. Sie umgehen nationale Justizsysteme und befeuern sogar den Klimawandel. Deshalb muss der Bundestag diese Paralleljustiz für Investoren unterbinden und die Ratifizierung von CETA stoppen.”

Hanni Gramann, Attac-Handelsexpertin: “CETA soll den Handel mit einem Partner fördern, der die grundlegenden Werte der liberalen Demokratie teilt, heißt es in dem Ratifizierungsgesetz. Warum sind dann in dem Abkommen Schiedsgerichte für Konzerne verankert? Weder das formal aufgebesserte „Investitionsgerichtssystem“ (ICS) noch eine verbindliche Interpretationserklärung ändern etwas daran: Unternehmen mit Niederlassungen in Kanada oder der EU würden ermächtigt , mit teuren Investitionsschutzklagen die staatliche Gesetzgebung zu ökologischen oder sozialen Fragestellungen anzugreifen.”

Zu der Protestaktion aufgerufen hatten: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, Attac Deutschland, Berliner Wassertisch, Campact, Forum Umwelt und Entwicklung, Greenpeace e.V., lokale freihandelskritische Bündnisse und Initiativen in Deutschland, NaturFreunde Deutschland, Netzwerk gerechter Welthandel, PowerShift e.V., Umweltinstitut München, Weltwirtschaft, Ökologie & Entwicklung – WEED e.V.

Fotos von der Aktion finden sich unter diesem Link: https://www.flickr.com/photos/uwehiksch/albums/72177720300341781

Pressekontakte:
Ludwig Essig
le@forumue.de
0176 546 752 53

Hanni Gramann
hanni.gramann@attac.de
0176 3060 8762




Report von foodwatch und PowerShift zeigt: Neue EU-Handelsabkommen sind eine Gefahr für Verbraucher, Umwelt und Demokratie

Pressemitteilung – Freihandelsabkommen

– Geplante EU-Freihandelsabkommen unter anderem mit Japan und Mexiko hätten negative Folgen für Demokratie, Verbraucherrechte und Umweltschutz
– Report von foodwatch und PowerShift deckt Schwachstellen etwa bei Fleischimporten und Pestizid-Zulassung auf
– foodwatch fordert Stopp der Verhandlungen und Neuausrichtung der europäischen Handelspolitik

Berlin/Berlin, 7. Februar 2018. Die Europäische Union verhandelt derzeit eine Reihe neuer Freihandelsabkommen, die negative Folgen für Verbraucherrechte, Umweltstandards und demokratische Prinzipien hätten. Das zeigt ein Report der Organisationen PowerShift und foodwatch. Die geplanten EU-Abkommen unter anderem mit Indonesien, Japan und dem südamerikanischen Mercosur-Staatenbund enthielten ähnlich kritische Vorhaben wie das auf Eis gelegte TTIP-Abkommen mit den USA oder das vorläufig in Kraft getretene EU-Kanada-Abkommen CETA – beispielsweise Sonderklagerechte für Konzerne, Handelsausschüsse ohne ausreichende demokratische Kontrolle oder eine Aufweichung des Vorsorgeprinzips beim Gesundheits- und Verbraucherschutz. Trotz der Risiken finden die Verhandlungen unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt, kritisierten die beiden Organisationen. Noch nicht einmal alle Verhandlungsmandate sind öffentlich. foodwatch forderte den Stopp der Verhandlungen und eine komplette Neuausrichtung der europäischen Handelspolitik.

“Die EU hat aus den Protesten gegen TTIP und CETA offenbar nichts gelernt. Auf dem Altar des Freihandels sollen Verbraucherschutz, Umweltstandards und demokratische Prinzipien geopfert werden – zulasten der Menschen in Europa und zulasten der Menschen in den Partnerländern”, sagte Thilo Bode, Geschäftsführer von foodwatch International, bei der Vorstellung des Reports am Mittwoch in Brüssel. Die Europäische Kommission müsse die Verhandlungen sofort beenden. Bei den geplanten Abkommen gehe es nicht nur um den Wegfall von Zöllen. Es bestehe die reale Gefahr, dass Verbraucher- oder Umweltschutzstandards abgesenkt oder auf einem niedrigen Niveau festgeschrieben würden, so Thilo Bode. “Wir sind nicht gegen Handel – aber Handel muss den Menschen dienen, und nicht einseitig den Interessen von Konzernen.”

Der Report “Handel um jeden Preis?” wurde von der Organisation PowerShift im Auftrag von foodwatch erstellt und untersucht fünf EU-Handelsabkommen, die bisher kaum im Fokus der Öffentlichkeit stehen: mit Japan, Vietnam,Indonesien und Mexiko sowie mit dem Verbund der südamerikanischen Staaten Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay (Mercosur). Die Verhandlungen sind teilweise schon weit fortgeschritten, andere stehen noch ganz am Anfang. Viele Punkte, die bereits bei TTIP und CETA für Kritik gesorgt hatten, sind nach Ansicht von foodwatch und PowerShift nahezu 1:1 auch in den neuen Verträgen enthalten:

– Das europäische Vorsorgeprinzip ist in keinem der Abkommen abgesichert. Stattdessen soll der “nachsorgende Ansatz” der Welthandelsorganisation (WTO) gelten, der – vereinfacht gesagt – bedeutet: Eine Substanz ist solange zugelassen, bis deren Schädlichkeit nachgewiesen ist. Beim Vorsorgeprinzip gilt hingegen die Umkehr der Beweislast: Ein Unternehmen muss – beispielsweise bei der Zulassung von Chemikalien – die Unschädlichkeit wissenschaftlich nachweisen. Regierungen in Europa müssen bei potenziellen Risiken vorsorgend aktiv werden, wenn es begründete Bedenken gibt.

– Durch die Abkommen werden Ausschüsse gebildet, die weitreichende Veränderungen festlegen dürfen – ohne ausreichende demokratische Kontrolle durch Parlamente. Ähnliche Mechanismen im CETA-Abkommen sind Gegenstand einer Verfassungsbeschwerde in Deutschland.

– In den Verträgen mit Vietnam, Indonesien und Mexiko sind umfassende Investor-Staat-Klagerechte geplant – eine Art Paralleljustiz, über die Konzerne in Zukunft Staaten wegen politischer Regulierungsmaßnahmen verklagen könnten.

– Bei allen der geplanten Abkommen ist nicht nur der Abbau von Schutzzöllen und Marktöffnungen für Unternehmen das Ziel. Sondern – ähnlich wie TTIP und CETA als Freihandelsabkommen einer “neuen Generation” – auch die Beseitigung sogenannter nicht-tarifärer Handelshemmnisse. Dazu zählen beispielsweise Regulierungen im Gesundheits-, Verbraucher- und Umweltschutz. Standards könnten durch die Handelsverträge gesenkt oder vertraglich festgeschrieben werden, so dass sie in Zukunft nicht mehr einseitig von einem Handelspartner verschärft bzw. verbessert werden könnten.

“Genau wie bei TTIP und CETA geht es bei den neuen Handelsabkommen nicht nur um den Abbau von Zollschranken, sondern auch um Verbraucherrechte und Umweltschutzstandards – und die Frage, wie und wer darüber in Zukunft entscheidet”, sagte Thomas Fritz von PowerShift, einer der Autoren der Studie. Es ließen sich bereits jetzt konkrete Punkte nennen, inwiefern die geplanten Abkommen negative Folgen für den Umwelt- und Verbraucherschutz, Landwirtschaft und Ernährung haben könnten. Drei Beispiele aus dem Report:

– Fleischimporte / Südamerika: Ein Freihandelsabkommen mit dem Staatenverbund Mercosur würde den europäischen Markt für Agrarprodukte aus Südamerika weiter öffnen. Fleischproduzenten etwa aus Brasilien, die enorm kostengünstig große Mengen produzieren, könnten ihre Exporte und Produktion deutlich steigern – mit fatalen Folgen für die Umwelt: In Brasilien findet ein Großteil der Nutztierhaltung auf gerodeten Regenwaldflächen statt.

– Pestizide / Japan: In Japan werden deutlich mehr Pestizide in der Landwirtschaft eingesetzt als in der Europäischen Union. Kommt es zu einem Freihandelsvertrag, könnten Import-Lebensmittel mit erhöhten Pestizidrückständen in Europa auf den Markt kommen. Das eigentlich im EU-Recht verankerte Vorsorgeprinzip würde so faktisch ausgehebelt.

– Palmöl-Anbau / Indonesien: Indonesien ist der weltgrößte Produzent von Palmöl. Rund 10 Prozent der Exporte gehen in die EU – für Lebensmittel, Kosmetika oder Biodiesel. Das Land erhofft sich durch den Wegfall von Handelsschranken einen weiteren Anstieg der Exporte nach Europa. Die Anbauflächen könnten weiter wachsen – was zu deutlich höheren Treibausgas-Emissionen führen würde. Denn neue Palmölplantagen entstehen oft durch das Abbrennen von Torfböden. Die EU setzt sich zwar offiziell für einen nachhaltigen Palmöl-Anbau ein – allerdings nur mit freiwilligen Initiativen. Die deutsche Bundesregierung hat vorgeschlagen, einen umweltgerechteren Anbau unter Berücksichtigung menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten zur Bedingung für den Abbau von Handelsbeschränkungen zu machen. Die EU-Kommission hat die damit einhergehende Möglichkeit von Sanktionen jedoch bisher stets abgelehnt. Aktuell liegt ein Entwurf für ein Nachhaltigkeitskapitel in dem Indonesien-Abkommen vor – der ebenfalls keine sanktionsbewehrten Maßnahmen vorsieht.

Quellen und weiterführende Informationen:

– Report “Handel um jeden Preis?”: www.tinyurl.com/Freihandelreport
– Forderungen von foodwatch: www.tinyurl.com/Forderungen-Handelspolitik

Pressekontakt:

foodwatch e.V.
Andreas Winkler
E-Mail: presse@foodwatch.de
Tel.: +49 (0)30 / 24 04 76 – 2 90 und +49 (0)174 / 3 75 16 89

PowerShift e.V. / Thomas Fritz
Email: thomas.fritz@power-shift.de
Tel.: +49 (0)160 / 932 31 548