Alete erhält den Goldenen Windbeutel 2017 – Verbraucher wählen zuckrigen Babykeks zur Werbelüge des Jahres – Protestaktion heute am Firmensitz bei Frankfurt

Pressemitteilung

– Verbraucher wählen zuckrigen Alete-Babykeks zur dreistesten Werbelüge des Jahres
– foodwatch will Negativpreis heute am Firmensitz überreichen
– Verbraucherorganisation fordert bessere gesetzliche Vorgaben für Babylebensmittel

Berlin, 28. November 2017. Der Goldene Windbeutel 2017 geht an Alete: Bei einer Online-Abstimmung der Verbraucherorganisation foodwatch wählte eine große Mehrheit der mehr als 70.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer einen zuckrigen Babykeks des Herstellers zur dreistesten Werbelüge des Jahres. Alete vermarktet das Produkt entgegen den Empfehlungen von Medizinern schon für Säuglinge ab dem achten Monat “zum Knabbernlernen” – dabei sind die Babykekse mit 25 Prozent Zuckeranteil sogar zuckriger als Leibniz Butterkekse und fördern Karies. foodwatch will den Negativpreis heute um 11 Uhr am Alete-Verwaltungssitz in Bad Homburg überreichen.

“Alete nutzt sein positives Image bei Eltern aus, um auf Kosten der Kleinsten Kasse zu machen – das grenzt an Körperverletzung durch Irreführung”, sagte Sophie Unger von foodwatch, “Wahlleiterin” beim Goldenen Windbeutel. Die Verbraucherorganisation forderte den Babynahrungshersteller auf, das Produkt vom Markt zu nehmen und sein Sortiment zu überarbeiten. Denn obwohl Ärzte und Ernährungsexperten von zugesetztem Zucker für Babys abraten, hat Alete etwa 30 Prozent seiner Babyprodukte Zucker beigemischt, unter anderem Joghurts, Grießbrei, Puddings oder auch Keksen. Verbraucherinnen und Verbraucher können den Aufruf an Alete unter www.alete-aktion.foodwatch.de unterstützen.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) rät explizit für die Ernährung von Säuglingen und Kleinkindern: “Salz und Zucker sollten nicht in Beikost zugesetzt sein”. Auch das von der Bundesregierung ins Leben gerufene Netzwerk “Gesund ins Leben” empfiehlt als Beikost für Säuglinge “Produkte ohne Zugabe von Zucker”. Alete vermarktet seinen zuckrigen Keks dennoch ab dem achten Lebensmonat – und das ganz legal. Denn die EU-Verordnung über Babylebensmittel lässt Lücken: Zwar gibt es zum Beispiel Vorgaben für die Belastung mit Pestiziden, aber selbst Kekse mit einem Zuckergehalt von bis zu 34 Prozent dürfen noch als empfehlenswerte Produkte für Säuglinge beworben werden. Nach dem Start der Windbeutel-Wahl hatte Alete reagiert und Anfang November angekündigt, seine Kekse immerhin nicht länger auf der Packung als “babygerecht” zu bezeichnen. Sophie Unger von foodwatch: “Der Babynahrungshersteller Alete will seine Babykekse nicht länger als ‚babygerecht‘ bezeichnen, empfiehlt die Zuckerkekse aber weiter für Babys – wie absurd ist das denn! Alete nutzt die rechtlichen Lücken besonders dreist aus. Der Fall macht deutlich: Wir brauchen dringend bessere gesetzliche Vorgaben für Babylebensmittel.”

Prof. Dr. Wieland Kiess, Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin an der Universität Leipzig, erklärte gegenüber foodwatch: “Säuglinge sollten keine Produkte mit zugesetztem Zucker essen, um zum Beispiel Entstehung von Karies und eine frühe Süßgewöhnung zu vermeiden. Die Ernährung in den ersten Lebensmonaten ist prägend und beeinflusst das spätere Ernährungsverhalten eines Menschen. Einen Keks mit 25 Prozent Zucker für Babys zu empfehlen, ist schlicht verantwortungslos.”

Außer dem Alete Babykeks waren vier weitere Produkte für den Goldenen Windbeutel 2017 nominiert. In einem im Vergleich zu den Vorjahren veränderten Wahlverfahren gingen mehr als 73.000 gültige Stimmen im Wahlzeitraum seit Ende Oktober ein. Die überwältigende Mehrheit der Verbraucherinnen und Verbraucher stimmte für Alete. Das Ergebnis im Detail:

1. Platz: Alete Kinderkeks (36.786 Stimmen, entspricht rund 50 Prozent der abgegebenen gültigen Stimmen)
2. Platz: Unilever: Becel Omega-3 Pflanzenöl (12.139 Stimmen, 16,5 Prozent)
3. Platz: Continental Foods: Lacroix Ochsenschwanz Suppe (11.271 Stimmen, 15,3 Prozent)
4. Platz: Kellogg’s: Urlegenden Müsli Quinoa, Apfel, Cranberries & Chia-Samen (10.169, 13,8 Prozent)
5. Platz: Bauer: Protein Drink Vanille (3.280, 4,5 Prozent)

Alete war bis 2014 eine Marke des Nahrungsmittelkonzerns Nestlé und ist jetzt in der Hand der Unternehmensbeteiligungsgesellschaft BWK GmbH. Auch das Land Baden-Württemberg ist über die landeseigene L-Bank und die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) am Haupteigner von Alete beteiligt. Eine pikante Situation: Die Landesregierung selbst rät, etwa in Broschüren für Eltern, von vielen solcher sogenannten Kinderlebensmittel ausdrücklich ab, die Alete herstellt – profitiert aber vom Verkauf eben jener Produkte. Bereits 2015 hatte foodwatch die Rolle Baden-Württembergs bei dem Babynahrungshersteller kritisiert. Die Verbraucherorganisation forderte Ministerpräsident Winfried Kretschmann auf, sicherzustellen, dass im Falle einer fortgesetzten Beteiligung seines Bundeslandes an Alete unter dieser Marke nur solche Produkte für Babys angeboten werden, die auch tatsächlich babygerecht sind.

foodwatch vergibt den Goldenen Windbeutel in diesem Jahr zum siebten Mal. Die erste Wahl fand 2009 statt. Bisherige Preisträger waren unter anderem der Trinkjoghurt Actimel von Danone (2009), die Milch-Schnitte von Ferrero (2011) und ein Instant-Tee für Kinder von Hipp (2012). Ziel ist es, mit dem Negativpreis auf die systematische, ganz legale Irreführung bei Lebensmitteln hinzuweisen und bessere Gesetze zu erwirken.

Link:

– Ergebnisse der Wahl zum Goldenen Windbeutel 2017: www.goldener-windbeutel.de

Quellen und weiterführende Informationen:

– Pressemappe mit Hintergrundinformationen zum Alete Kinderkeks inklusive Einschätzung der Weltgesundheitsorganisation, zu den rechtlichen Grundlagen bei Babylebensmitteln und zum Alete-Sortiment: https://tinyurl.com/yafdk6ta
– Erste Stellungnahme von Alete zum Start des Goldenen Windbeutels: www.tinyurl.com/y8msjxfb
– Zweite Stellungnahme von Alete an foodwatch: www.tinyurl.com/y9rvcady
– Broschüre der Landesregierung Baden-Württemberg zur Ernährung von Säuglingen: www.tinyurl.com/lmguunx

+++ Achtung, Redaktionen +++

foodwatch bietet umfangreiches Bild- und Audiomaterial an (Quelle: foodwatch), ab ca. 14 Uhr auch Fotos von der “Preisverleihung” bei Alete unter: www.foodwatch.de/material-windbeutel

Bereits jetzt zum Download verfügbar:
– TV-Statements zu Alete: www.tinyurl.com/alete-windbeutel-video
– Audio-O-Töne zu Alete: www.tinyurl.com/alete-windbeutel-audio
Außerdem:
– Bewegtbildmaterial aller Kandidaten: www.tinyurl.com/y7q7elq2
– TV-Statements zu allen Kandidaten: www.tinyurl.com/y6w2wfc4
– Audio-O-Töne zu allen Kandidaten: www.tinyurl.com/y9wku5x7

Pressekontakt:

foodwatch e.V.
Dario Sarmadi und Sarah Häuser
E-Mail: presse@foodwatch.de
Tel.: +49 (0)30 / 24 04 76 – 2 90




BGH lehnt Revision im Prozess um Unilevers Becel pro.activ ab – foodwatch fordert Entzug der Lebensmittelzulassung für cholesterinsenkende Margarine

Pressemitteilung

Karlsruhe/Berlin, 29. September 2016. Der Nahrungsmittelkonzern Unilever darf die bekannten wissenschaftlichen Hinweise auf Risiken seines Cholesterinsenkers Becel pro.activ weiterhin leugnen. Wie am Donnerstag bekannt wurde, lehnte der Bundesgerichtshof einen Antrag der Verbraucherorganisation foodwatch auf Revision gegen ein entsprechendes Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts ohne Begründung ab (Az BGH VI ZR 528/15). Weil unverändert erhebliche Zweifel an der Sicherheit der Margarine bestehen, forderte foodwatch die Europäische Kommission erneut auf, Becel pro.activ die Zulassung als Lebensmittel zu entziehen.

Der presserechtliche Streit drehte sich um die von Unilever verbreitete Aussage, der zufolge es “aus wissenschaftlicher Sicht … keinen Hinweis“ auf Nebenwirkungen gebe. Tatsächlich legt jedoch eine ganze Reihe von Studien nahe, dass die in hoher Konzentration der Margarine zugesetzten Pflanzensterine das verursachen könnten, was sie eigentlich verhindern sollen: Ablagerungen in den Gefäßen und damit ein erhöhtes Risiko auf Herzkrankheiten. Vor Gericht wurde die Aussage Unilevers jedoch nicht als “Tatsachenbehauptung“, sondern als bloße “Meinungsäußerung“ eingestuft, die einer faktischen Überprüfung nicht standhalten muss.

Da das Presserecht offensichtlich nicht ausreiche, um die Verbraucherinnen und Verbraucher vor gefährlichen Falschaussagen zu schützen, forderte foodwatch erneut ein Eingreifen des Gesetzgebers. “Unilever darf weiterhin die Meinung verbreiten, dass es keinen Hinweis auf Nebenwirkungen von Becel pro.activ gibt, obwohl dies nachweislich falsch ist“, erklärte der stellvertretende foodwatch-Geschäftsführer Matthias Wolfschmidt. “Die Leidtragenden sind die Verbraucherinnen und Verbraucher: Sie bleiben vor Gesundheitsrisiken ungeschützt und müssen auch noch irreführende Aussagen über die Sicherheit eines zweifelhaften Produkts hinnehmen. Die Europäische Kommission muss Becel pro.activ im Sinne des vorsorgenden Gesundheitsschutzes vom Markt nehmen.“

Fakt ist: Unilever kann weder den gesundheitlichen Nutzen noch die Sicherheit von Becel pro.activ belegen. Die französische Lebensmittelsicherheitsbehörde ANSES betonte 2014, dass jeder Beweis dafür fehle, dass Lebensmittel mit zugesetzten Pflanzensterinen (wie die Unilever-Margarine) tatsächlich Herzkrankheiten vorbeugen. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hatte bereits 2008 betont, dass der Verzehr von Lebensmitteln mit zugesetzten Pflanzensterinen von gesunden Menschen ohne Cholesterinproblem “ausdrücklich vermieden werden sollte“ und dies mit möglichen Gesundheitsrisiken begründet. Dennoch hatte Unilever unter Verwendung von Zitaten eines Wissenschaftlers im Jahr 2011 behauptet, dass es “aus wissenschaftlicher Sicht … keinen Hinweis“ auf Nebenwirkungen gebe.

foodwatch klagte daraufhin unter Berufung auf das Presserecht gegen die weitere Verbreitung dieser Aussage. Am 1. September 2015 wies das Hanseatische Oberlandesgericht die Klage ab (Az 7 U 7/13). Es stufte die Unilever-Aussage – wie im Jahr 2012 das Landgericht Hamburg in erster Instanz – als reine “Meinungsäußerung“ ein und erklärte sie damit für zulässig, ohne sie auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen. Gegen diese Entscheidung legte foodwatch beim Bundesgerichtshof Beschwerde ein und beantragte die Zulassung eines Revisionsverfahrens. Nach der Ablehnung des BGH hat nun das Hamburger Urteil Bestand.

Die Europäische Kommission hatte auf Betreiben Unilevers im Jahr 2000 “gelben Streichfetten mit Phytosterinzusatz“ wie Becel pro.activ die Zulassung als sogenanntes “neuartiges Lebensmittel“ (novel food) erteilt und dabei auch auf ihre Sicherheit überprüft. In der europäischen Novel-Food-Verordnung heißt es: Neuartige Lebensmittel “dürfen keine Gefahr für die Verbraucher darstellen“ (EU VO 258/97, Art. 3 Abs. 1). Zum Zeitpunkt der Zulassung lagen die heute bekannten, kritischen Studien allerdings noch gar nicht vor. Das Ergebnis der Sicherheitsprüfung ist 15 Jahre alt und bildet nicht den heutigen Stand der Wissenschaft ab.

Matthias Wolfschmidt von foodwatch: “Falls Nutzen und Sicherheit irgendwann einmal belegt werden können, sollte Unilever für Becel pro.activ eine arzneimittelrechtliche Zulassung beantragen – im für jedermann zugänglichen Supermarktregal hat ein solcher Cholesterinsenker nichts verloren.“

Links:
– Informationen zu Becel pro.activ: tinyurl.com/becelproactiv
– E-Mail-Aktion an Unilever: www.aktion-becel.foodwatch.de

Redaktionelle Hinweise:
– Übersicht über die wissenschaftlichen Hinweise zu Nebenwirkungen von Becel pro.activ: tinyurl.com/studien-pflanzensterine
– Fragen & Antworten zu Becel pro.activ und zum Prozess: tinyurl.com/faq-becelproactiv
– Bildmaterial unter www.foodwatch.de/material-abgespeist

Pressekontakt:
foodwatch e.V.
Sylvie Ahrens
E-Mail: presse@foodwatch.de
Tel.: +49 (0)30 / 24 04 76 – 290




Hanseatisches Oberlandesgericht verkündet Urteil im Prozess um cholesterinsenkende Margarine Becel pro.activ

Pressemitteilung – Terminhinweis

– Termin: Dienstag, 1. September 2015, 10 Uhr im Hanseatischen Oberlandesgericht, Sievekingplatz 2, 20355 Hamburg (Sitzungssaal 210, 1. Stock)

Berlin/Hamburg, 30. August 2015. Vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht in Hamburg wird am kommenden Dienstag (1. September 2015, 10 Uhr) ein Urteil im Prozess um die umstrittene cholesterinsenkende Margarine Becel pro.activ erwartet. Die Verbraucherorganisation foodwatch hatte Hersteller Unilever vorgeworfen, Hinweise auf mögliche Nebenwirkungen zu verschleiern und Risiken für Verbraucher in Kauf zu nehmen. Vor der Pressekammer geht es in zweiter Instanz um die Frage, ob der Nahrungsmittelkonzern Aussagen zur Sicherheit des Produkts weiter verbreiten darf (Az 7 U 7/13).

Unter Verwendung von Zitaten eines Wissenschaftlers hatte Unilever im Jahr 2011 in einer Pressemitteilung behauptet, dass es bei Becel pro.activ “aus wissenschaftlicher Sicht … keinen Hinweis” auf Nebenwirkungen gebe. “Das ist nachweislich falsch”, erklärte foodwatch-Klageführer Oliver Huizinga. “Eine ganze Reihe wissenschaftlicher Studien hat Hinweise darauf geliefert, dass die der Margarine in hoher Konzentration zugesetzten Pflanzensterine das verursachen könnten, was sie eigentlich verhindern sollen: Ablagerungen in den Gefäßen und damit ein erhöhtes Risiko auf Herzkrankheiten. Unilever kann die Sicherheit seines Produktes nicht belegen.” Ziel der Klage ist es, dem Konzern die weitere Verbreitung seiner Aussage untersagen zu lassen.

In der mündlichen Verhandlung am 28. Juli tendierte das Oberlandesgericht jedoch dazu, das Unilever-Zitat – wie bereits die Vorinstanz – als bloße “Meinungsäußerung” einzustufen. Darauf zielte auch die Verteidigung von Unilever ab, eine solche “Meinung” dürfte der Hersteller schließlich weiterhin verbreiten, egal ob sie wahr oder unwahr ist. foodwatch sieht in dem Zitat dagegen eine “Tatsachenbehauptung”. Diese wäre nur dann zulässig, wenn Unilever einen Beleg für ihre Richtigkeit vorlegen könnte. Der Vorsitzende Richter am Hanseatischen Oberlandesgericht sagte, dass die Aussage “in einer Werbeanzeige schon eine gefährliche Sache” wäre – in einer Pressemitteilung jedoch eine zulässige Meinungsäußerung sein könnte. Die aus Verbrauchersicht entscheidende Frage, nämlich wie sicher bzw. riskant Becel pro.activ tatsächlich ist, spielte bei der Verhandlung keine Rolle.

In erster Instanz hatte das Landgericht Hamburg die foodwatch-Klage am 14. Dezember 2012 abgewiesen – ebenfalls ohne die Unilever-Aussage auf ihren Wahrheitsgehalt oder das Produkt auf seine Sicherheit hin zu überprüfen (Az 324 O 64/12).

“Unilever stellt ein Quasi-Medikament mit unbekanntem Nutzen und möglichen Risiken für jedermann zugänglich ins Kühlregal, nimmt sich einen Wissenschaftler, der mit seiner Autorität alle vorhandenen Hinweise auf Nebenwirkungen einfach leugnet, und entzieht sich einer Faktenprüfung, weil die Aussage über die Sicherheit des Produkts nur eine ‘Meinung’ sein soll – damit darf der Konzern nicht durchkommen”, erklärte foodwatch-Klageführer Oliver Huizinga. “Wenn dieses Modell Schule macht und sich Verbraucher nicht einmal darauf verlassen können, dass die Aussagen von Wissenschaftlern über mögliche Risiken eines Lebensmittels wahr sein müssen, haben wir ein ernsthaftes Problem.”

Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hatte bereits 2008 in einer Stellungnahme festgehalten, dass der Verzehr von Lebensmitteln mit zugesetzten Pflanzensterinen von gesunden Menschen ohne Cholesterinproblem “ausdrücklich vermieden werden sollte” und diese Empfehlung mit möglichen Gesundheitsrisiken begründet. Die französische Lebensmittelsicherheitsbehörde ANSES wies zudem erst 2014 auf den fehlenden Beleg für einen gesundheitlichen Nutzen hin. Es gebe keinen Beweis, dass Lebensmittel mit zugesetzten Pflanzensterinen Herzkrankheiten vorbeugen.

foodwatch forderte Unilever auf, die Becel pro.activ-Margarine nicht länger frei für jedermann im Supermarkt anzubieten, sondern das Produkt wie ein Medikament zu behandeln und es im Falle einer arzneimittelrechtlichen Zulassung auf Rezept in der Apotheke zu verkaufen. Dies würde sicherstellen, dass gesunde Menschen ohne erhöhten Cholesterinspiegel nicht länger mithilfe eines Brotaufstrichs ohne Not an ihren Blutwerten herumdoktern und dass Nutzen, Risiken und Nebenwirkungen des Produkts vor einer Zulassung umfassender untersucht werden müssten.

Link:
Informationen und E-Mail-Aktion zu Becel pro.activ: tinyurl.com/becelproactiv

Redaktionelle Hinweise:
– Termin: Urteilsverkündung am Dienstag, 1. September 2015, 10 Uhr im Hanseatischen Oberlandesgericht, Sievekingplatz 2, 20355 Hamburg (Sitzungssaal 210, 1. Stock)
– Übersicht über die wissenschaftlichen Hinweise zu Nebenwirkungen von Becel pro.activ: tinyurl.com/studien-pflanzensterine
– Fragen & Antworten zu Becel pro.activ und zum Prozess: tinyurl.com/faq-becelproactiv
– Chronologie der Auseinandersetzung zwischen foodwatch und Unilever: tinyurl.com/becel-chronologie
– Bildmaterial unter www.foodwatch.de/material-abgespeist

Pressekontakt:
foodwatch e.V.
Martin Rücker
E-Mail: presse@foodwatch.de
Tel.: +49 (0) 1 74 / 3 75 16 89
(auch am Dienstag vor Ort in Hamburg)




Noch kein Urteil im Prozess um Unilevers Cholesterinsenker Becel pro.activ – foodwatch fordert Verkaufsstopp für umstrittene Margarine

Pressemitteilung

Hamburg, 28. Juli 2015. Das Hanseatische Oberlandesgericht in Hamburg hat heute noch kein Urteil im Berufungsprozess um die cholesterinsenkende Margarine Becel pro.activ gefällt (Az 7 U 7/13). Die Verbraucherorganisation foodwatch hatte dem Hersteller Unilever vorgeworfen, die bekannten Hinweise auf mögliche Nebenwirkungen seines Produkts zu verschleiern und daher Klage gegen den Konzern eingereicht. Als Termin für die Urteilsverkündigung benannte das Gericht den 1. September 2015 (10.00 Uhr).

Fakt ist: Unilever kann weder den gesundheitlichen Nutzen noch die Sicherheit von Becel pro.activ belegen. Eine Reihe von Studien legt vielmehr nahe, dass die in hoher Konzentration der Margarine zugesetzten Pflanzensterine das verursachen könnten, was sie eigentlich verhindern sollen: Ablagerungen in den Gefäßen und damit ein erhöhtes Risiko auf Herzkrankheiten. Dennoch hatte Unilever unter Verwendung von Zitaten eines Wissenschaftlers im Jahr 2011 behauptet, dass es bei Becel pro.activ “aus wissenschaftlicher Sicht keinen Hinweis” auf Nebenwirkungen gebe – eine Aussage, die nach Auffassung von foodwatch nachweislich falsch ist. Die Klage der Verbraucherorganisation zielt darauf ab, die Weiterverbreitung dieser Aussage zu verhindern.

Der Vorsitzende Richter am Hanseatischen Oberlandesgericht in Hamburg betonte am Dienstag, dass die Aussage “in einer Werbeanzeige schon eine gefährliche Sache” wäre – in einer Pressemitteilung jedoch eine zulässige Meinungsäußerung sein könnte. In der mündlichen Verhandlung ging es nicht um die Sicherheit des Produkts. Im Zentrum stand die Frage, ob es sich bei dem Zitat um eine reine Meinungsäußerung handelt oder um eine Tatsachenbehauptung, noch dazu eine EU-weit genehmigungspflichtige gesundheitsbezogene Werbeaussage. Dies ist keineswegs eine bloße juristische Spitzfindigkeit: Während eine Tatsachenbehauptung nur dann zulässig ist, wenn sie wahr ist, darf eine Meinung auch unabhängig von ihrem Wahrheitsgehalt verbreitet werden. In erster Instanz hatte das Landgericht Hamburg die Aussage als Meinung eingestuft und die Klage von foodwatch am 14. Dezember 2012 daher abgewiesen, ohne jedoch Unilevers Behauptung einem Faktencheck zu unterziehen (Az 324 O 64/12).

Das Oberlandesgericht legte sich Dienstag nicht endgültig fest, zeigte jedoch eine Tendenz, der Vorinstanz zu folgen. Dann dürfte Unilever weiterhin falsche Aussagen über die Sicherheit von Becel pro.activ verbreiten, weil diese als “Meinungsäußerung” nicht belegt werden müssten. foodwatch-Klageführer Oliver Huizinga befürchtet für den Fall eines solchen Urteils, dass das Unilever-Prinzip Schule machen könnte: “Die Verbraucher können sich offenbar nicht darauf verlassen, dass ein Wissenschaftler im Dienste eines Konzerns bei Aussagen über die Sicherheit eines hoch umstrittenen Produktes auch die Wahrheit sagen muss – das ist fatal. Ein Unternehmen darf nicht nur der ‘Meinung’ sein, dass sein Produkt sicher ist – es muss dies auch mit Fakten belegen können. Für die Verbraucher ist es schließlich egal, ob gesundheitsrelevante Aussagen auf Werbeplakaten oder in der Presse verbreitet werden.” Weil ein Beleg für die Sicherheit von Becel pro.activ bis heute fehlt, forderte foodwatch Unilever auf, die Margarine vom Markt zu nehmen. Bei dem Produkt handele es sich um ein Quasi-Medikament – Unilever solle dafür eine Zulassung als Medikament beantragen, falls die erforderlichen Studien eines Tages Sicherheit und Nutzen belegen können.

Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hatte 2008 betont, dass der Verzehr von Lebensmitteln mit zugesetzten Pflanzensterinen von gesunden Menschen ohne Cholesterinproblem “ausdrücklich vermieden werden sollte” und dies mit möglichen Gesundheitsrisiken begründet. Die französische Lebensmittelsicherheitsbehörde ANSES wies zudem erst 2014 auf den fehlenden Beleg für einen gesundheitlichen Nutzen hin: Es gebe keinen Beweis, dass Lebensmittel mit zugesetzten Pflanzensterinen Herzkrankheiten vorbeugten.

Link:
Informationen zu Becel pro.activ: tinyurl.com/becelproactiv

Redaktionelle Hinweise:
– Übersicht über die wissenschaftlichen Hinweise zu Nebenwirkungen von Becel pro.activ: tinyurl.com/studien-pflanzensterine
– Fragen & Antworten zu Becel pro.activ und zum Prozess: tinyurl.com/faq-becelproactiv
– Chronologie der Auseinandersetzung zwischen foodwatch und Unilever: tinyurl.com/becel-chronologie
– Bildmaterial unter: tinyurl.com/becel-Produktfoto

Pressekontakt:
foodwatch e.V.,
Andreas Winkler
E-Mail: presse@foodwatch.de
Tel.: +49 (0)30 / 24 04 76 – 23
Fax: +49 (0)30 / 24 04 76 – 26

Vor Ort in Hamburg: Martin Rücker, Telefon:+49 (0) 1 74 / 3 75 16 89